nd-aktuell.de / 11.03.2016 / Politik / Seite 5

Von Kenia bis Neuwahl

Kurs auf knappe Mehrheit

Hendrik Lasch

Spekuliert wird seit Wochen, und die Unkenrufe werden nach jeder neuen Umfrage lauter: Was passiert eigentlich, wenn es nach der Wahl in Sachsen-Anhalt nicht nur für die vor allem von der LINKEN offensiv angestrebte rot-rot-grüne Koalition (R2G) nicht reicht, sondern auch das bisherige Bündnis aus CDU und SPD keine Mehrheit hat - ja, wenn sich gar keine Regierung im Land bilden lässt? Hieße es dann: Nach der Wahl ist vor der (Neu-)Wahl?

Als sicher darf gelten: Es wird knapp, und selbst Schwarz-Rot ist nicht gewiss. Grund ist zum einen der Höhenflug der AfD, die bei 17 bis 19 Prozent geführt wird und selbst sicher ist, mehr als 20 Prozent einzufahren - und gleichzeitig der Sinkflug der SPD, der teils nur noch 15 Prozent vorhergesagt werden. In sechs Umfragen, die es seit Jahresbeginn gab, pendelte R2G zwischen 40 und 43 Prozent. Bemerkenswert ist aber, dass auch der Vorsprung für eine neue CDU-SPD-Koalition stetig schmilzt: von 52 Prozent am Jahreswechsel auf gerade noch 44,5 Prozent. Eine stabile Mehrheit sieht anders aus.

Falls der Vorsprung am Sonntag so knapp bleiben oder sich gar noch weiter verringern sollte, wäre die nächstliegende Variante: Es muss eine dritte Partei ins Boot geholt werden - womit wohl die Grünen in der Pflicht wären. Zwar hat die Ökopartei, die nach langer Pause erst seit 2011 wieder im Landtag sitzt, sich bisher für die Variante R2G ausgesprochen; ihre Spitzenkandidatin Claudia Dalbert hat aber zuletzt erklärt, wenn nichts anderes gehe, sei man auch zu einer so genannten Kenia-Koalition - also Schwarz-Rot-Grün - bereit. Die Grünen liegen stabil bei fünf Prozent; sicher drin sind sie freilich nicht. Unwahrscheinlicher wäre wohl eine schwarz-rot-gelbe Koalition: Die FDP verharrt knapp unterhalb der Fünfprozenthürde - und müsste sich, falls es reicht, nach fünf Jahren Abstinenz erst wieder im Landtag einrichten.

Nicht offen spekulieren wollen Landespolitiker über ein Ergebnis, das ihnen womöglich nur die Wahl zwischen gänzlich neuartigen Koalitionen und Neuwahlen ließe. Der Fall könnte eintreten, wenn sowohl Grüne als auch FDP draußen blieben - und LINKE sowie AfD zusammen stärker sind als CDU und SPD. Das aber sei »extrem unwahrscheinlich«, sagt Wulf Gallert, Spitzenkandidat der LINKEN, der das anhaltende Geraune denn auch als »Phantomdiskussion« abtut. Auch Katrin Budde, seine SPD-Kollegin, sagt: »Das Land ist regierbar.« 17 Prozent für die AfD hießen auch, dass die anderen Parteien in der Summe auf 83 Prozent kämen. Und wenn die SPD nicht allein den Ausschlag für eine bestimmte Koalition geben könne, »müssen auch andere mal über ihren Schatten springen«. hla