Herr Möhring, am Sonntag haben sie im »Tatort« mit Franziska Weisz als Julia Grosz eine neue Kollegin an Ihrer Seite. Was wird die Neue denn an Ihrer Figur verändern?
Einiges. Schon weil Kriminalhauptkommissar Thorsten Falke nicht mehr nur eigenen Geheimnissen nachspürt, sondern auch jenen seiner neuen Kollegin. Warum macht diese hochqualifizierte Polizistin so einen kleinen Flughafenjob? Das dürfte ihn auch als Typ verändern.
Welcher Typ von Mann ist dieser Falke denn bislang?
Ein physischer, empathischer Typ, seinen Freunden und Prinzipien gegenüber loyal, darin ist er mir durchaus verwandt. Andererseits ist er ein ungebundener, vereinsamter Mann, mit einem eklatanten Missverhältnis von privater und beruflicher Erfüllung, voller Sehnsüchte, deren Wert verblasst, sobald sie sich erfüllen. Deshalb stürzt er sich aus seiner Unfähigkeit, Nähe zuzulassen, voll in die Arbeit. Darin ähneln wir uns nun überhaupt nicht; ein »Lonely Wolf« bin ich mit drei kleinen Kindern sicher nicht. Außerdem ist er kein Fußballfan und ich bin noch heiser von Dortmunds jüngstem Spiel gegen Tottenham.
Was ihn weniger zu jenem Typus liebenswerter Proll macht, den Sie sonst gerne spielen.
Und das, obwohl er aus einer echt harten Ecke in Hamburg-Billstedt kommt, in der drohender Tiefgang gern mit Gewalt, Lautstärke oder Humor überspielt wird, typisch männlich eben, wobei der Scherz bekanntlich das Loch ist, aus dem die Wahrheit pfeift. Solche Typen spiele ich in der Tat gern, zumal Prolls gern unterschätzt werden, und unterschätzte Rollen mag ich. Ich hab als Old Shatterhand zwar grad einen großen Helden in einer großen Geschichte abgedreht, bevorzuge aber einfache Charaktere einfacher Geschichten mit einfachem Kern: Liebe, Schmerz, Verzweiflung, das menschliche Wollen gegen das göttliche Sollen als Destillat unseres Lebens. Ich mag die Zerrissenheit im Einfachen lieber als verkopfte Erzählungen.
Ist das der Grund, warum Sie kaum Berührungsängste mit leichten Stoffen haben?
Das mag sein. So lange du deiner Figur mit dem nötigen Ernst begegnest, kannst du jede spielen. Deine Figur genießt grandiose Freiheiten, wenn sie doof oder klischeebehaftet gezeichnet ist.
Was so weit geht, dass viele Ihrer Filme schon im Titel »Mann« und »männlich« durchdeklinieren, also humoristisch eher niedere Instinkte ansprechen.
Aber auch da haben alle meine Figuren Sehnsüchte, Ernsthaftigkeit, Tiefe, weshalb sie nicht dauernd oben ohne rumlaufen, sondern kommunizieren. Trotzdem kriege ich gerade mit dem Alter zunehmend Lust auf schwere, unmännliche Stoffe wie »Der letzte schöne Tag«, wo die Mutter meiner Kinder plötzlich stirbt.
Spielt man so etwas anders, wenn man selbst welche hat?
Absolut. Zumal ich keine Schauspielschule besucht habe und daher ohnehin intuitiver agiere. Filmemachen ist zwar keine Therapie, aber so, wie ich was von zu Hause mit zum Drehen nehme, nehme ich auch was vom Drehen mit heim; das hilft mir bei der Reflexion meines täglichen Handelns und lässt mich erkennen, wie wertvoll es ist, was man hat. Als ich kürzlich mal vier Wochen in Andalusien war, hab ich mich richtig gefreut, den deutschen Wald wiederzusehen.
Ist das bodenständig oder menschlich?
Beides, hat aber mit Heimatduselei wenig zu tun; ich liebe New York fast so wie den Pott, aber je mehr du um die Welt reist, desto schöner erscheint dein Zuhause, denn morgen kann schon alles vorbei sein. Um das zu erkennen, helfen reale Dramen mehr als Komödien. Dennoch nehme ich von jedem Projekt etwas mit, und sei es die Erkenntnis, dass ich bestimmte Rollen besonders beherrsche. Für die wirst du ja ausgewählt, weil du bist wie du bist, und wenn du im Fußball als Verteidiger besser bist, kannst du zwar über die Sechs in den Sturm rutschen; deine Position bleibt aber hinten. Dass muss man auch als Schauspieler akzeptieren und sich darüber freuen, für bestimmte Charaktere sofort auf dem Zettel zu sein.
Stört es dennoch, wegen der Oberfläche oder des guten Namens angefragt zu werden?
Nein. Stören tun mich schlechte Bücher. Nur dann sage ich ab.
Muss man sich leisten können …
Stimmt, aber Filmemachen ist ja anders als Olympia: Dabei sein ist nicht alles.
»Tatort: Zorn Gottes«, ARD, 20.3., 20.15 Uhr
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1005569.lust-auf-unmaennliche-rollen.html