nd-aktuell.de / 19.03.2016 / Sport / Seite 11

Mensch, kommt zu uns!

Folge 90 der nd-Serie Ostkurve: Der FC Vorwärts Drögeheide aus Torgelow gewinnt den DFB-Integrationspreis

Jirka Grahl
Nur knapp 70 Mitglieder hat der FC Vorwärts Drögeheide. Sein Fußballplatz liegt nur wenige Hundert Meter entfernt von einer Flüchtlingsunterkunft. Bereits seit 2013 engagiert sich der Verein für die Integration der Zuwanderer.

Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des DFB-Integrationspreises. Was ist denn das Tolle am FC Vorwärts Drögeheide und seiner Integrationsarbeit?
Tja, ich versuche mal, es ganz einfach zu erklären. Ich bin ja schon lange im Fußball - selbst Spieler gewesen und seit 1999 Trainer. Für mich stand nie infrage, dass Fußballer aus anderen Ländern mitspielen. Das war schon immer so. Deswegen ist es für mich selbstverständlich, dass wir gerade jetzt, wo so viele Menschen hier neu sind, sagen: Mensch, kommt zu uns! Da sind doch garantiert auch ein paar Hinzugekommene dabei, die Talent haben und Fußball spielen wollen.

Wie war das, als sie 2013 anfingen, mit Geflüchteten aus dem benachbarten Asylbewerberheim zu trainieren?
Es kamen gleich sehr viele: Kinder, Jugendliche, Erwachsene - eine bunt gemischte Truppe. Schnell hat sich herauskristallisiert, dass auch ein paar Talente drunter sind. Und da wir ja Mannschaften im Spielbetrieb haben, haben wir natürlich versucht, Talente, die auch länger bleiben, ins Team zu holen. Die Fluktuation ist aber sehr hoch, viele ziehen wieder weg. Die, die länger da bleiben, haben wir dann nach und nach in unsere Jugendmannschaften integriert.

Wie groß ist Ihr Verein?
65 bis 70 Mitglieder. Wir sind ein ganz kleiner Verein. Nur fünf Mannschaften in den Jahrgängen F-, E-, D-, C- und B-Jugend.

Keine Männermannschaft?
Die hatten wir bis zum Sommer, aber aufgrund der hohen Fluktuation unter den Flüchtlingen waren die Probleme im Punktspielbetrieb zu groß. Auch die Wartefristen für die Spielerpässe waren zu lang.

Drögeheide ist ein Plattenbaugebiet in Torgelow, das einst für NVA-Angehörige gebaut wurde. Also für Soldaten.
Ja, die leben hier immer noch. Also nicht mehr NVA, aber Bundeswehr. Torgelow ist ja ein wichtiger Bundeswehrstandort. Wir haben hier mehrere Kasernen mit was weiß ich wie vielen Soldaten. Dass unser Verein Vorwärts heißt, liegt ja auch an der Armee-Vergangenheit: Wir waren früher der ASK Vorwärts Drögeheide - ein Armeesportklub wie damals auch der FC Vorwärts Frankfurt.

Sie selbst wohnen gegenüber dem Flüchtlingsheim. Wie funktioniert denn das Zusammenleben in Drögeheide?
Das Stadtbild hat sich in den vergangenen zwei Jahren deutlich verändert. Im Prinzip kannte man vorher keine Ausländer bei uns im Wohngebiet - außer im Döner-Laden und im vietnamesischen Imbiss. Dass so viele Kulturen wie heutzutage unterwegs sind, das gab es nicht. Mittlerweile ist es aber so, dass die Leute, die das Heim verlassen, in die umliegenden Wohnungen ziehen. Ihre Kinder gehen jetzt mit unseren Kindern zusammen zur Schule. Die Leute winken über die Straße, wenn sie mich sehen, sie sind immer nett und freundlich: Ich finde, das klappt gut.

Das Flüchtlingsheim in Drögeheide taucht immer wieder in Polizeimeldungen auf. Da schießen Unbekannte mit einer Schreckschusspistole in die Luft oder lassen Feuerwerkskörper explodieren. Hatten Sie schon unangenehmen Besuch am Fußballplatz?
Nein. Da braucht auch keiner zu kommen, dann hat er Stress mit mir, das gibt es hier nicht. Ich bin hier Vorsitzender in dem Verein und wenn die Jungs Fußball spielen, egal wer, braucht niemand anzukommen! So etwas sollte es hier auch nicht geben.

Wenn Sie mit Ihren Mannschaften auswärts antreten - wird Ihnen da immer anständig begegnet?
Na ja, wir hatten jetzt schon ein, zwei Situationen bei Turnieren, wo sich ein Elternteil im Wort deutlich vergriffen hat. Da ist dann unser Trainer aber wirklich couragiert hingegangen und hat demjenigen in aller Öffentlichkeit den Marsch geblasen. Sowas kommt mal vor, es ist aber nicht die Regel. Hier oben sind nicht alle Nazis.

Das hatte ich mit der Frage auch nicht unterstellen wollen.
Es gibt eben auch hier ein paar Idioten: Ganz dumme Menschen, aber auch die muss man einfach irgendwie hinkriegen. Denen muss man es immer wieder erklären.

Welche Mannschaft trainieren sie eigentlich?
Ich trainier die D- und E-Junioren.

Wie wird sich denn auf dem Spielfeld verständigt mit den Kindern?
Auf Deutsch. Die Jungs lernen das alle so schnell, die sind bald der Übersetzer für ihre Eltern. Manchmal müssen sie dann auch mit zum Arzt mit Mama oder Papa - als Dolmetscher.

Sind die neuen Spieler nicht auch ein Gewinn für Ihre Mannschaften?
Auf jeden Fall. Vor wenigen Wochen erst ist der kleine Zamari aus unserer E-Jugend bei einem Turnier in Ducherow zum Besten unter allen Spielern gewählt worden. Zamari stammt aus Afghanistan.

Sie haben jetzt einen Teambus gewonnen, inwiefern hilft der Ihnen weiter?
Bisher haben die Eltern die Kids mit ihren Privatautos zu den Spielen gefahren, auch die Flüchtlingskinder. Nun können wir vielleicht auch mal deren Eltern mitkommen lassen zu den Spielen. Das ist schön.

Ich habe gehört, der Unterhalt des Autos macht Ihnen noch Sorgen?
Ja, das stimmt, so ein Auto kostet ja: Steuern, Versicherung, Service-Intervalle. Darum müssen wir uns nun kümmern. Da begeben wir uns gerade auf die Suche nach Sponsoren.