nd-aktuell.de / 21.03.2016 / Kultur / Seite 4

Edelmarke

PERSONALIE

Ingolf Bossenz

Die Gepflogenheit, in diese Rubrik ausschließlich zu den Lebenden Zählende zu pressen, scheint auf den ersten Blick durchbrochen, wenn es um Winnetou geht. Doch der Häuptling der Mescalero-Apachen mag in Buch und Film immer wieder das Zeitliche gesegnet haben - er ist unsterblich. Die von Karl May in feinsten und edelsten Farben gezeichnete Ikone des Indianers schlechthin ist so lebendig, dass sie jetzt sogar das Gericht der Europäischen Union in Luxemburg beschäftigte.

Es ging um die Entscheidung, ob »Winnetou« eine Marke ist. Als solche hatte der Karl-May-Verlag Bamberg nämlich den Namen der zentralen Figur in den Reiseerzählungen (Karl May schrieb keine »Romane«!) des umtriebigen Sachsen 2003 beim Europäischen Markenamt eintragen lassen. Eine lukrative Sache, die beim Verkauf jeder Friedenspfeife, jedes Federballs, jeder Packung Tomahackfleisch die Bamberger Kasse klingeln lässt - vorausgesetzt, die Produzenten vorgenannter Waren haben diese nach dem berühmten Blutsbruder von Old Shatterhand benannt.

Das missfiel der Münchner Constantin Film, die in den 60er Jahren Pierre Brice als Winnetou auf den Kriegspfad geschickt hatte. Das Unternehmen erreichte, dass das Markenamt den Schutz für fast alle Produkte wieder aufhob. Das EU-Gericht machte die Markenlöschung jetzt rückgängig und verwies den Fall wieder an das Europäische Markenamt. Dieses muss nun neu entscheiden.

Ob das juristische Gerangel auch der wichtigsten Winnetou-Marke, der literarischen, nutzt, ist indes fraglich. Denn: »Leider hat der Buchhandel Karl May weitgehend den Rücken gekehrt«, sagte mir im Interview der Bamberger Verleger Bernhard Schmid über den Erfolgsautor seines Hauses. »In einer Buchhandlung, die etwas auf sich hält, sollte zumindest der ›Winnetou I‹, der allein eine Vier-Millionen-Auflage in deutscher Sprache hat, im Regal stehen.« May schrieb, er habe »nie einen besseren, überzeugenderen, hinreißenderen Redner« als Winnetou gehört. Schade, dass der »Rote Gentleman« nicht persönlich vor Gericht auftreten kann.