nd-aktuell.de / 26.03.2016 / Sport / Seite 11

Chinas Schwimmern droht das Olympia-Aus

Doping und Vertuschungsvorwürfe: Ein neuer Skandal belastet den asiatischen Verband und seine Athleten schwer

Dominik Kortus und Thomas Lipinski
Nach Russland gerät nun auch China unter den Verdacht des systematischen Dopings. Die sechs positiv getesteten Schwimmer könnten nur der Anfang sein.

Nach mehreren positiven Tests stehen Chinas Schwimmer um Doppel-Olympiasieger Sun Yang vier Monate vor den Spielen in Rio wieder im Mittelpunkt eines Dopingskandals. Der chinesische Verband bestätigte am Freitag nach Vertuschungsvorwürfen sechs Fälle in wenigen Monaten - nach den Statuten des Weltverbandes FINA könnte dies eine Suspendierung aller chinesischen Schwimmer bedeuten. Da am Mittwoch auch neue Hinweise auf systematisches Doping bei den russischen Schwimmern aufgetaucht waren, steht nach der Leichtathletik eine weitere olympische Kernsportart unter Druck. Nach den FINA-Statuten ist der Ausschluss eines gesamten Verbandes möglich, wenn es innerhalb von zwölf Monaten vier oder mehr Verstöße gegen die Anti-Doping-Vorschriften gibt. Allerdings gibt es Ausnahmeregelungen. Unklar ist, ob die bei den vorliegenden Fällen greifen.

Vor der Mitteilung des chinesischen Verbandes hatte die englische Tageszeitung »The Times« Vertuschungsvorwürfe erhoben. Unter Berufung auf anonyme Quellen innerhalb des Verbandes hatte sie berichtet, dass fünf positive Proben geheim gehalten worden sein sollen, um vor der chinesischen Olympia-Ausscheidung im April Unruhe zu vermeiden. Ob es sich bei den jetzt öffentlich gemachten Fällen um die angesprochenen handelt, ist allerdings unklar. Zhao Jian, stellvertretender Direktor der chinesischen Anti-Doping-Agentur CHINADA, wies alle Vorwürfe zurück. Die bisher international unbekannten Schwimmer Zhao Ying und An Jiabao sowie Junioren-Weltrekordler Wang Lizhuoseien wurden mit Clenbuterol erwischt, drei weitere, namentlich nicht genannte Sportler seien positiv auf das Diuretikum Hydrochlorothiazid getestet worden. Sowohl die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA als auch die FINA kündigten genaue Untersuchungen an

Bereits am Mittwoch hatte die Times neue Hinweise auf flächendeckendes Doping bei den russischen Schwimmern veröffentlicht. Demnach soll Sergej Portugalow, einer der vermeintlichen Drahtzieher im Skandal um die russischen Leichtathleten, auch im Schwimmen tätig gewesen sein und das Nationalteam aufgefordert haben, ein systematisches Dopingprogramm einzuführen.

Die chinesischen Schwimmer stehen ebenfalls seit langem unter Verdacht. Superstar Sun Yang war im Mai 2014 positiv auf das verbotene Stimulans Trimetazidin getestet worden. Er wurde aber nicht mit der üblichen zweijährigen Sperre belegt, sondern nur für drei Monate verbannt. Als der Fall bekannt wurde, war die Sperre längst abgelaufen, und Sun hatte bei den Asienspielen schon wieder dreimal Gold gewonnen.

Gleichzeitig mit den neuen Vorwürfen gegen China waren Berichte aufgetaucht, wonach der umstrittene und lange gesperrte Trainer Zhou Ming wieder mit Schwimmern arbeiten würde. Zhou gilt als Drahtzieher des Dopingskandals in den 1990er Jahren. Erst im November 2015 hatte der Tod einer Nachwuchsschwimmerin die Szene erschüttert. Die 17-jährige Qing Wenyi war wenige Wochen nach ihren zwei Titeln bei den chinesischen Jugendmeisterschaften während eines Trainingslagers zusammengebrochen und gestorben. SID/nd