Hollande in der Krise

Internationale Presseschau

  • Lesedauer: 3 Min.

Le Monde, Frankreich

Hollande hat alles verpatzt

Frankreichs Präsident François Hollande hat sich selbst eine Falle gestellt. Über den Entzug der Staatsangehörigkeit, der am Tag nach den Anschlägen vom 13. November schnell entworfen wurde, hätte er beinahe die fragile nationale Einheit zertrümmert. Ohne sich der Aufgabe nur im geringsten pädagogisch zu stellen, hat er am Ende alles verpatzt. Seine Mehrheit hat er auseinandergerissen und die sozialdemokratische Partei PS bis kurz vor einer Implosion in Aufruhr gebracht. Er hat nicht wenige Minister erregt, den Rücktritt der Justizministerin Christiane Taubira provoziert und es geschafft, selbst seine treuesten Anhänger zu verärgern. 13 Monate vor der Präsidentschaftswahl wird Hollande es schwer haben, die Maschen seines Netzes wieder zusammenzunähen, das er selbst zerrissen hat.

Libération, Frankreich

Der größte Verlierer

Ein Desaster. Vielleicht ist noch nie zuvor in der politischen Geschichte Frankreichs eine Initiative eines Präsidenten so weit von dem entfernt gelandet, was als Ziel ausgegeben war. Hollande ist natürlich der größter Verlierer in dieser Geschichte. Er dachte, er gehe nur ein geringes Risiko ein, wenn er eine von der Opposition gewünschte und von der öffentlichen Meinung unterstützte Maßnahme vorschlägt. Er hat sich geirrt, weil er das Wesentliche vergessen hat: Man verändert die Verfassung nicht ohne Prinzipien und Überzeugungen. Es gab in dieser Wette zu viele Hintergedanken und zu viel Kalkül.

Le Figaro, Frankreich

Ein erbärmliches Ende

Von der Straße ausgebuht, von den Seinen im Stich gelassen, von den Umfragen zerdrückt, ist François Hollande die Luft ausgegangen. 2016 ist für ihn ein »annus horribilis«, ein schreckliches Jahr. Er erntet, was er gesät hat. Aber das schlimmste ist die Zeit, die Frankreich verloren hat. Das Land ist gelähmt, zur Unbeweglichkeit verdammt, erschöpft von den Widersprüchen des Präsidenten. Es ist ein erbärmliches Ende seiner Amtszeit.

Der Standard, Österreich

Nicht mehr Herr der Lage

Der Autoritätsverlust verstärkt den Eindruck, dass der Präsident nicht mehr Herr der Lage ist. Sein noch laufender Versuch, das französische Arbeitsrecht zu liberalisieren, bekommt zunehmend Schlagseite. Für heute, Donnerstag, rufen die Gewerkschaften zu neuen Protesten dagegen auf. Hollande geht es in dieser Sache ähnlich wie bei der Antiterrorreform: Er bringt die Linke gegen sich auf, ohne die Rechte zu gewinnen. Le Monde überschreibt ihre Donnerstagausgabe mit dem Titel: »Massive Zurückweisung François Hollandes durch die Linke.« Selbst Parteifreunde raten ihm von einer neuen Kandidatur 2017 ab. Langsam muss man gar fragen, ob er bis dahin durchhalten kann.

La Vanguardia, Spanien

Staatschef des anderen Lagers

François Hollande macht 13 Monate vor den Wahlen schwere Zeiten durch. Der Staatspräsident musste kurz zuvor Abstriche machen bei seinem Projekt der Verfassungsreform für den Kampf gegen den Terrorismus. Nach diesem Fiasko geht es für den Staatschef bei der Arbeitsmarktreform um das politische Überleben. Bisher erhält er damit mehr Zustimmung bei den Konservativen als im eigenen Lager.

De Volkskrant, Niederlande

Völlig verirrt

Für den Präsidenten ist dies ein enormer Fehlschlag. Hollande gilt als geschickter Taktiker, aber gerade in taktischer Hinsicht scheint er sich völlig verirrt zu haben. Die Debatte über die Verfassungsänderung brachte vier Monate heftigen Streit. Aus Protest trat Justizministerin Taubira, eine Ikone der Linken, zurück. Und das Endergebnis ist null. Die Maßnahme, mit der er der Rechten den Wind aus den Segeln nehmen wollte, ist vom Tisch. Zugleich erlitt Hollande einen ernsthaften Imageschaden bei seiner linken Anhängerschaft. Ähnliches droht seinem Plan zur Liberalisierung des Arbeitsmarktes. Unter dem Druck der eigenen Partei, Gewerkschaften, Studenten und Schüler wurden einige der umstrittensten Maßnahmen gestrichen. Auch hier droht Hollande in einem politischen Sumpf zu versinken.

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