nd-aktuell.de / 06.04.2016 / Ratgeber / Seite 26

Nichteheliche Familien beim Elternunterhalt aufgewertet

BGH-Urteil zum Elternunterhalt

Partner, die in einer nichtehelichen Familie zusammenleben, müssen künftig weniger Pflegekosten für ihre gebrechlichen Eltern bezahlen als bislang.

In solchen Fällen kann vom Einkommen des Betroffenen ein Betreuungsunterhalt für jenen Partner abgezogen werden, der die gemeinsamen Kinder betreut und deshalb keinen Beruf ausüben kann. Das geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) am 9. März 2016 (Az. XII ZB 693/14) hervor.

Das Gericht würdigte damit die freiwillige Familienleistung in nichtehelichen Partnerschaften. Einen gleichwertigen Anspruch auf einen Familienselbstbehalt wie Verheiratete haben die Partner in »wilden Ehen« damit aber noch nicht.

Im aktuellen Fall stritt sich ein Familienvater aus Kehlheim mit dem Land Berlin. Der Kläger, der ein monatliches Nettoeinkommen von 3300 Euro hat, sollte sich mit rund 270 Euro an den Pflegekosten für seinen Vater beteiligen, da dessen Rente und Pflegeversicherung dafür nicht ausreichten. Der Vater wird seit Jahren in seiner Berliner Wohnung von einem Pflegedienst versorgt.

Der Sohn verwies mit Blick auf sein Einkommen darauf, dass er in einer nichtehelichen Familie lebe. Er habe mit seiner Partnerin eine Ende 2008 geborene, inzwischen siebenjährige gemeinsame Tochter, die seine Partnerin zusammen mit ihren beiden Söhnen aus ihrer geschiedenen Ehe betreue. Der Kläger beanspruchte deshalb einen über den eigenen Selbstbehalt von derzeit 1800 Euro hinausgehenden Familienselbstbehalt, wie er Verheirateten eingeräumt wird.

Dem BGH zufolge steht solch ein Selbstbehalt laut Gesetz nur Verheirateten zu. Es müsse aber berücksichtigt werden, wenn nicht verheiratete Eltern freiwillig zusammenleben, um einvernehmlich gemeinsame Kinder zu erziehen.

Wer in solchen Konstellationen für die Pflegekosten seiner Eltern aufkommen soll, könne deshalb neben dem eigenen Selbstbehalt von derzeit 1800 Euro monatlich auch noch einen Betreuungsunterhalt für seinen nicht erwerbstätigen Partner in Abzug bringen.

Die Karlsruher Richter betonten in ihrer Entscheidung durchaus, dass Ehe und nichteheliche Lebensgemeinschaft mit Recht anders behandelt werden. Denn wer sich das Ja-Wort gibt, übernimmt damit auch Unterhaltspflichten für den Partner. Ohne Trauschein haben nur Mütter kleiner Kinder unter drei Jahre Anspruch auf Unterhalt - es sei denn, sie haben auch danach gute Gründe, warum sie nicht wieder Vollzeit arbeiten können.

Die Richter stellen aber erstmals klar, dass unverheiratete Eltern - anders als Alleinerziehende - dabei frei wählen dürfen, wie sie sich ihr Familienleben vorstellen. Wenn beide Partner wollen, dass etwa die Frau noch ein paar Jahre zu Hause beim Kind bleibt, kann das als guter Grund gelten.

Das Grundsatzurteil bedeutet für den klagenden Sohn und seine Patchwork-Familie, dass er unter Umständen um die Pflegekosten herumkommt. Das Oberlandesgericht Nürnberg muss sich noch einmal anschauen, ob seine Partnerin nicht doch Anspruch auf Unterhalt und damit Vorrang hat - dabei muss das Gericht die neuen Richtlinien aus Karlsruhe beachten.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz wies im Zusammenhang mit dem Urteil darauf hin, dass die Pflegekosten für rund 450 000 Menschen zu 98,2 Prozent von den Kommunen und damit dem Steuerzahler getragen werden. Insgesamt werden hier 3,8 Milliarden Euro im Jahr gezahlt. Dagegen tragen die Angehörigen über den Elternunterhalt nur 68 Millionen Euro. AFP/nd