Bei der Fußgängerampel die Grünphase per Modul verlängern?

Forschungsprojekte in fünf deutschen Städten und Gemeinden, die Behinderten helfen sollen

  • Claudia Rometsch
  • Lesedauer: 4 Min.
In Deutschland leben immer mehr alte Menschen. Doch der öffentliche Raum in Städten und Dörfern ist meist nicht für gebrechliche Menschen gestaltet. Ein Projekt des Bundesforschungsministeriums sucht nach Lösungen.

Langsam schiebt die alte Frau ihren Rollator über die Straße. Als sie mitten auf der Fahrbahn ist, springt die Fußgängerampel auf Rot. Situationen wie diese, in denen Menschen unnötig verunsichert werden, ärgern Helmut Wallrafen immer wieder.

Denn es gebe bereits technische Lösungen, die Städte für alte und behinderte Menschen sicherer machten, sagte der Geschäftsführer der Sozial-Holding der Stadt Mönchengladbach. »In Singapur sind Fußgängerampeln so ausgerüstet, dass Ältere oder Behinderte die Grünphase bei Bedarf verlängern können.« Nur zwölf Euro koste ein Ampel-Modul, das etwa durch ein Smartphone gesteuert werden könne.

Fünf Mal fünf Millionen Euro

Lösungen dieser Art sind es, die das Bundesforschungsministeriums mit einem Projekt voranbringen will. Mit dem Wettbewerb »Innovationen für Kommunen und Regionen im demografischen Wandel« (InnovaKomm) werden seit Ende vergangenen Jahres bundesweit fünf Städte oder Gemeinden unterstützt beim Umgang mit der wachsenden Zahl an Bewohnern, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.

Ziel ist es, technische Angebote zu entwickeln, die Senioren helfen, möglichst lange selbstbestimmt in ihrer gewohnten Umgebung zu leben. Jedes der Projekte wird in den kommenden fünf Jahren mit je fünf Millionen Euro gefördert.

Eines von ihnen ist das Projekt »UrbanLife+« der städtischen Sozial-Holding in Mönchengladbach, das vor allem Straßen und öffentliche Plätze für ältere Menschen sicherer machen soll. »Es geht aber nicht nur um Senioren, sondern auch um andere Menschen mit Handicap«, sagt der wissenschaftliche Leiter des Projekts, Wirtschaftsinformatiker Stefan Kirn von der Universität Hohenheim.

Die Vision: Menschen mit Handicap erhalten von der Stadt eine App, mit deren Hilfe sie Hindernisse im öffentlichen Raum beseitigen können.

Probleme auf dem Land

Denkbar sind laut Kirn auch Treppen, die sich per Funksignal in schräge Ebenen verwandeln, oder Bordsteine, die sich absenken lassen. Für Menschen, die schlecht sehen, wäre es auch eine große Hilfe, zusätzliche Beleuchtungen per App einzuschalten.

Derzeit identifizieren die Forscher zunächst die problematischen Stellen in der Stadt. »Ziel ist es, am Ende der Projektphase einige gut erprobte Anwendungen zu haben«, sagt Kirn. Die sollen dann, so hofft das Ministerium, auch für andere Städte nutzbar werden.

Ganz besondere Probleme haben Menschen, die auf dem Land leben und nicht mehr mobil sind. Oft müssen sie weite Strecken zum Arzt oder ins nächste Geschäft zurücklegen. Alleinstehenden Senioren bleibt oft nur der Umzug ins Heim, wenn keine Angehörigen da sind, die die Fahrten übernehmen.

»Es ist aber nicht finanzierbar, dass fast jeder ins Heim geht«, sagt Thomas Nerlinger, Geschäftsführer des Vereins Gesundheitsregion Euregio im niedersächsischen Nordhorn und Leiter des geförderten Projektes »Dorfgemeinschaft 2.0«.

Einsatz von Telemedizin

Nerlinger ist sicher, dass neue Kommunikationsmittel und moderne Technik Älteren die Möglichkeit geben, auch auf dem Land weitgehend selbstständig zu leben. »Das Internet kann helfen, dass wir auf dem Land alle enger zusammenrücken.«

Kern des Projekts in der Region Grafschaft Bentheim und südliches Emsland soll ein »virtueller Dorfmarktplatz« sein. Die Idee ist, dass Senioren über das Internet nicht nur Lebensmittel bestellen können. Auch ein medizinisches Versorgungskonzept soll entwickelt werden. So könnte künftig mit Hilfe von Telemedizin der ein oder andere Arztbesuch gespart werden. Eine »rollende Praxis« und Pflegedienste könnten das Konzept ergänzen.

Auch über einen Genossenschaftsladen werde diskutiert, in dem Senioren Leistungen tauschen könnten. Bei dem Projekt gehe es nicht nur um die Versorgung, sondern auch darum zu verhindern, dass ältere Menschen vereinsamen, sagt Nerlinger. Die Digitalisierung könne in diesem Fall auch der sozialen Armut entgegenwirken, indem sie neue Kontakte herstelle. »Wir müssen präventiv tätig werden, damit der Rentner nicht alleine vor dem Fernseher sitzt.«

Noch klingt das alles wie Zukunftsmusik ... epd/nd

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