nd-aktuell.de / 14.04.2016 / Politik / Seite 2

Wo herrscht hier Notstand?

In Wien regt sich Widerstand gegen die geplante Verschärfung des Asylrechts

Hannes Hofbauer, Wien
Der Innenausschuss des österreichischen Parlaments berät an diesem Donnerstag über eine Verschärfung des Asylrechts. Nicht nur deren Inhalt stößt auf Kritik.

Die Spitzen der Koalitionsregierung aus Sozialdemokratischer Partei (SPÖ) und Österreichischer Volkspartei (ÖVP) haben sich auf eine Novelle zum Asylgesetz mit massiven Verschärfungen geeinigt. Doch innerhalb der SPÖ regt sich Widerstand, vor allem gegen das rasche Durchpeitschen der Änderungen. Es ist bereits das dritte Mal innerhalb eines Jahres, dass gesetzliche Regelungen die Aufnahme von Asylsuchenden in Österreich erschweren.

Diesmal geht es jedoch nicht nur um neuerliche Einschränkungen, sondern auch darum, die Regierung zu Notstandsmaßnahmen zu ermächtigen. Kritiker sehen darin eine Panikmache, die mehr der Angst vor der politischen Rechten als den Realitäten in der Flüchtlingsfrage geschuldet ist.

Einmal mehr will die Regierung den Familiennachzug für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte erschweren. Dazu soll es künftig nur mehr »Asyl auf Zeit« geben, wobei ein Rahmen von drei Jahren vorgesehen ist. Diese Maßnahme zeigt in gewisser Weise die Kopflosigkeit der Verantwortlichen, besteht doch schon jetzt die Möglichkeit, Asylberechtigten den Schutz zu entziehen, sobald sich in ihren Heimatländern die Situation entspannt hat.

Am heftigsten diskutiert wird die geplante Selbstermächtigung der Regierung, mittels einer Sonderbestimmung Asylverfahren stoppen zu können, sobald die Aufnahmekapazitäten erschöpft und die innere Sicherheit gefährdet sind. Diese Maßnahme kommt der Ausrufung eines Notstands sehr nahe. Zudem ist vollkommen unklar, wann eine solche Notlage eintritt, die die Regierung zur Außerkraftsetzung des internationalen Rechts auf Asyl nutzen könnte.

Für die konservative ÖVP und ihre gerade aus dem Amt scheidende Innenministerin ist dies offensichtlich bereits der Fall, wenn die kürzlich beschlossene jährliche Obergrenze von 37 500 Antragstellern erreicht ist. Schätzungen gehen davon aus, dass dies zur Jahresmitte der Fall sein könnte. Das erklärt auch die Hektik, mit der die Asylnovelle durch die Instanzen gepeitscht werden soll. Ihre Beschlussfassung sollte ursprünglich ohne jede weitere parlamentarische Diskussion an diesem Donnerstag erfolgen. Nach heftigen Querelen innerhalb der SPÖ könnte es zu einer Verschiebung bis Anfang nächster Woche kommen.

Vor allem die Wiener SPÖ als stärkste Kraft der Sozialdemokraten sperrt sich gegen die Novelle. Inhaltlich wehren sich Bürgermeister Michael Häupl und mehrere seiner Landesrätinnen gegen die Aushebelung der Einzelfallprüfung. Die Durchsetzung einer Obergrenze spricht diesem Recht Hohn. Mehr noch als an dieser wesentlichen inhaltlichen Frage reiben sich Politiker der Wiener SPÖ an der »Blitzaktion, mit der das Asylrecht ausgehebelt werden soll«.

In einem Brief an die Parteispitze stellen sie fest, dass im Jahr 2016 in Österreich »kein Notstand herrsche, der mit Notstandsgesetzen beantwortet werden müsste«. Ihr Justizsprecher Johannes Jarolim kontert mit der Ansage, man dürfe nicht erst abwarten, »bis jemand verhungert«, und man müsse aus dem »massenhaftem Ansturm des Jahres 2015 lernen«, der Österreich 90 000 Asylanträge beschert hat. Die Fronten sind innerparteilich verhärtet, was auch am samstäglichen Parteitag der SPÖ-Wien zum Ausdruck kommen dürfte.

Bundeskanzler Werner Faymann übt sich derweil in seiner bestens einstudierten Rolle als Mann im Hintergrund. Seine Aussage nach dem wöchentlichen Ministerrat am Dienstag zeigt allerdings, wie sehr er inhaltlich in den vergangenen Monaten vom Kritiker des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán zu dessen Wiedergänger geworden ist. »Es kommt nicht in Frage, jeden an der Grenze reinzulassen«, meldete sich Faymann sich zum Thema.

Wenig innenpolitische Aufmerksamkeit findet dieser Tage die rechtspopulistische Freiheitliche Partei (FPÖ). Seitdem die Koalitionsregierung ihren Forderungen nachkommt, hält sie sich mit Aussagen zum Flüchtlingsthema zurück. Ihre stärkste Stütze fand sie in Innenministerin Mikl-Leitner. Unter ihrer Federführung ging auch die aktuelle Gesetzesverschärfung durch den Ministerrat. Die Durchsetzung überlässt sie ihrem Nachfolger Wolfgang Sobotka (ÖVP), der nächste Woche angelobt werden soll.