Backblechpop

G. Möbius/Neonschwarz

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 2 Min.

Wir wissen nicht, wie es mit dem HipHop hierzulande aussähe, wenn wir das rührige und visionäre Label Audiolith nicht hätten, das seit über zehn Jahren schmissigen linken Polit-Pop produziert. Aber der Verdacht, dass es düster aussähe mit ihm, liegt nahe. Da ist es erholsam, dass es Rapper wie Johnny Mauser und Captain Gips gibt, wenn auch das nervige Pathos und das Parolenhafte an manchen ihrer Texte zuweilen stört. Der »Zeckenrap« des vierköpfigen antifaschistischen Hamburger HipHop-Kollektivs Neonschwarz, zu dem die beiden gehören, versteht sich hauptsächlich als musikalisch-politische Intervention in die zwischen Lethargie und nationalistischem Wahn pendelnde deutsche Gesellschaft. Dem Anwachsen eines rechten, völkischen Konsenses in der Bevölkerung will man etwas entgegensetzen: »Rassistenpack! Wir nehmen euch den Fahrt᠆wind / Ich wünsche mir zum Geburtstag, dass ihr aufhört zu atmen.« Textlich geht es logischerweise vor allem gegen »Kaltland« und »Dunkeldeutschland«, gegen das täglich neu anschwellende Hassgebrüll der »besorgten Bürger«, gegen die Seehofers und AfD-Spackos, aber auch gegen Gentrifizierung und den auf Permanenz gestellten Arbeits-, Leistungs- und Konsumwahn in der eindimensionalen Gesellschaft. Allerdings will die Gruppe den derzeit eher entmutigenden Zustand der Gesellschaft nicht als Grund für Resignation verstanden wissen, sondern wendet sich explizit einem bedingungslosen Hedonismus zu. Tanzen und feiern gegen rechts sozusagen.

Das Bezaubernde an der vor Einfällen nur so strotzenden Musik des Berliner Geräuscheforschers und Promoters Guido Möbius wiederum ist deren Unberechenbarkeit: Möbius hat den Vorzug, dass er nicht auf die Idee käme, sich an öden Pop-Kompositionsmodellen zu orientieren.

Deswegen fiept hier etwas Tinnitusartiges, da singt einer etwas auf Kambodschanisch, da klingt’s, als ob einer in strengem Rhythmus mit Backblechen, Maultrommel und quietschenden Türen hantiert, und dort spielt einer minimalistische Blockflötentöne. Doch nichts von alldem erklingt zufällig. Obwohl mit den herkömmlichen Popkonventionen insofern gebrochen wird, als hier kein Genre bedient und keine Erwartung erfüllt wird, wirkt alles wundersam geordnet, strukturiert, geplant und spannungsreich arrangiert. Man kann Folk-, Blues- und Krautrockeinflüsse hören, analoge Synthie-Beats und anderes, das man zu kennen glaubt, und doch klingt das alles frisch und überraschend. Möbius ist ein tapfer Vorwärtsschreitender auf dem Weg zu einer Musik der Zukunft, wie sie sein soll. Jens Balzer von der »Berliner Zeitung« erfand für den Sound neulich die schöne Bezeichnung »pantheistischer Meditations-Noise«.

Guido Möbius: »Batagur Baska« (Shitkatapult)

Neonschwarz: »Metropolis« (Audiolith)

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