nd-aktuell.de / 21.04.2016 / Politik / Seite 13

Neuland unterm Rad

Schweriner Landtag beschloss bundesweit erstes Bürgerbeteiligungsgesetz für Windparks

Im Nordosten können Kommunen und Bürger im Umkreis von Windparks künftig von den Erträgen profitieren. Ein Gesetz verpflichtet Investoren, die Betroffenen zu beteiligen - oder sie zu entschädigen.

Schwerin. Erstmals in Deutschland haben Anwohner von Windparks und betroffene Gemeinden einen gesetzlichen Anspruch auf Beteiligung am Betreiberunternehmen oder auf adäquate Entschädigungen. Der Schweriner Landtag beschloss am Mittwoch mit großer Mehrheit ein Bürgerbeteiligungsgesetz. Neben den Koalitionsfraktionen SPD und CDU stimmten auch große Teile der Linksfraktion und eine Grünen-Abgeordnete für das Gesetz. Mecklenburg-Vorpommern ist damit das erste Bundesland, das nach dem Vorbild Dänemarks ein Beteiligungsrecht festschreibt.

»Mit diesem Gesetz wird Neuland in Deutschland beschritten«, stellte Energieminister Christian Pegel (SPD) fest. Damit solle erreicht werden, dass mehr vom wirtschaftlichen Erfolg der Windkraftanlagen bei den Menschen vor Ort und in den Kommunen bleibe, in denen diese Anlagen stehen. Die SPD/CDU-Landesregierung verspricht sich davon auch mehr Akzeptanz für Windräder. Zuletzt hatten regionale Bürgerinitiativen massiv gegen den Bau neuer Windparks und die Errichtung höherer Windräder protestiert. Laut Gesetz müssen Investoren und Projektträger Kommunen und deren Bewohnern im Fünf-Kilometer-Umkreis von Windparks 20 Prozent der Gesellschafteranteile zum Kauf anbieten. Alternativ sind verbilligte Stromtarife für die betroffene Region, Ausgleichsabgaben an die Kommunen oder besondere, gesicherte Spareinlagen für Bürger möglich.

Vertreter der Windenergiebranche hatten in Zweifel gezogen, dass in Kommunen und bei Bürgern des Landes das nötige Geld für Beteiligungen vorhanden ist. Zudem halten sie die Regelungen für verfassungswidrig, weil damit in das Eigentum der Investoren eingegriffen werde, wie der Hauptgeschäftsführer der IHK Schwerin, Siegbert Eisenach, sagte.

Auch nach Meinung des Bundesverbandes Windenergie schlägt Mecklenburg-Vorpommern mit dem Gesetz eine falsche Richtung ein. Die Beteiligung von Kommunen und Bürgern sei zwar nicht falsch. Doch kollidiere das Gesetz mit den künftigen Ausschreibungsrichtlinien für Deutschland. »Akteure aus Mecklenburg-Vorpommern werden dann benachteiligt sein und sind einem höheren Risiko ausgesetzt«, erklärte Verbandssprecher Wolfram Axthelm. Nach Angaben von Minister Pegel sind Klagen gegen das Gesetz zu erwarten.

Mignon Schwenke von der Linksfraktion räumte ein, dass mit dem Gesetz direkt in Privateigentum eingegriffen werde. Doch erfolge dies zugunsten der Allgemeinheit. »Menschen, die sich bisher fragten, was sie denn überhaupt von den Windrädern haben, die sich vor ihren Haustüren drehen, können jetzt auf gesetzlicher Grundlage teilhaben am Gewinn«, sagte sie. Wer die Belastungen der Energiewende trage, der müsse auch etwas davon haben.

Ähnlich argumentierte auch Pegel. Es gebe bisher schon freiwillige Modelle, in denen Unternehmen bewusst die Menschen vor Ort beteiligten. Dies seien bislang aber Einzelfälle und bundesweite Regelungen seien nicht absehbar. »Deshalb ist es folgerichtig, dass die entsprechende Verpflichtung mit dem Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetz als die dem Land zustehende Möglichkeit jetzt umgesetzt wird«, sagte der Minister. Damit seien Kommunen und Bürger nicht mehr vom guten Willen des jeweiligen Investors abhängig.

Mit den Stimmen der Regierungsparteien SPD und CDU beschloss der Landtag am Mittwoch nach kontroverser Debatte auch ein neues Verfassungsschutzgesetz. Es soll die Zusammenarbeit der Verfassungsschützer mit der Polizei im Kampf gegen extremistische Gewalt und Terror verbessern. Das Land reagiert damit unter anderem auf die gravierenden Ermittlungspannen im Zusammenhang mit der Mordserie der rechtsextremen Terrorgruppe NSU. Kritik kam von der Opposition. Peter Ritter von der Linksfraktion sprach von einem »V-Mann-Verstärkungsgesetz«. Statt als Reaktion auf das Versagen der V-Leute beim NSU gänzlich auf bezahlte Informanten zu verzichten, wolle sich das Land auch dann noch solcher V-Leute aus der Szene bedienen, wenn diese straffällig wurden. dpa/nd