nd-aktuell.de / 22.04.2016 / Berlin / Seite 11

KONTRA: Ballermann in Kreuzberg

Der Sprecher des revolutionären 1. Mai-Bündnisses, Marko Lorenz, lehnt das Myfest grundsätzlich ab

Marko Lorenz

Wir lehnen das MyFest ab. Das liegt nicht an den Menschen, die es organisieren. Wir haben auch nichts dagegen, dass am 1. Mai gefeiert wird. Doch gerade dieses Fest ist Teil eines schlechten, eines bedrückenden Lebens.

Das MyFest wurde gegründet, um Kreuzberg am 1. Mai zu befrieden und die Bevölkerung zu spalten. Der Senat gab dafür allein im vergangenen Jahr 215 000 Euro aus. Politischer Protest konnte so - staatlich verordnet - aus Kreuzberg abgedrängt werden. Bullen und Bezirk rieben sich die Hände.

Mit verdrängt wurden die Gründe des Protests: Wer fragt nach denen, die aus ihren Wohnungen zwangsgeräumt werden, weil der Profit von Vermietern mehr zählt, als ein Dach über den Kopf? Wer fragt nach den Hunderttausenden in Berlin, die auf Hartz IV angewiesen sind, um über die Runden zu kommen? Dass Deutschland weltweit Krieg führt, scheint so normal, wie dass ein brennendes Bundeswehr-Fahrzeug schlimmer ist als das staatliche Morden in Afghanistan.

Deutschland verdient mit an der Zerstörung der Länder der Dritten Welt und setzt die, die hierher fliehen, einem rassistischen System und einem faschistischen Mob aus. Ganz zu schweigen davon, dass wir alle immer noch gezwungen sind, unsere Arbeitskraft zu verkaufen.

Es gibt viele gute Gründe, um am 1. Mai auf die Straße zu gehen. Und es gibt zwei Seiten der Barrikade - für eine muss man sich entschieden. Das MyFest beansprucht politisch zu sein, doch ist es Brot und Spiele - ein Ballermann in Kreuzberg. Es gehört zu einem alten System.

Und so werden die Vertreter des schlechten Lebens auch in diesem Jahr wieder das MyFest loben. Frank Henkel und Monika Herrmann werden sagen, dass alles so »friedlich« und »bunt« war. Und gleichzeitig werden die Bullen zu den nächsten Zwangsräumungen oder Abschiebungen geschickt; gleichzeitig werden Leute auf den Straßen kontrolliert, weil sie aussehen, wie sie nun einmal aussehen.

Vielleicht werden wir in diesem Jahr das MyFest nicht verhindern können. Doch wir können dem staatlichen Saufgelage etwas entgegensetzen, das im neoliberal zugrunde gerichteten Berlin dringend benötigt wird: Solidarität. Wir rufen deshalb zu einem selbstorganisierten Solidaritätsfest auf, bei dem Kontakte für die kommenden Kämpfe entstehen können. Bei dem der gemeinsame Kampf für ein Leben abseits von Verwertungsinteressen im Mittelpunkt steht. In diesem Jahr wird das Solidaritätsfest am Auftaktort der revolutionären 1.-Mai-Demonstration, dem Kreuzberger Oranienplatz, stattfinden. Und es wird nur der Anfang sein.