nd-aktuell.de / 22.04.2016 / Politik / Seite 6

Zumindest schwimmen können sie

Die andauernde Skandalserie um die Bundeswehrkorvetten vom Typ K 130 verärgert auch den Bundesrechnungshof - dennoch ist bereits ein neuer Schiffstyp ausgeschrieben.

René Heilig
Am Donnerstag fand das dritte Halbjahrestreffen des »Rüstungsboards« statt. Verteidigungsministerium und Beschaffungsexperten hatten dabei einmal mehr jede Menge Pannen zu besprechen.

Seit Ursula von der Leyen (CDU) und ihre taffe Staatssekretärin Katrin Suder 2014 im Verteidigungsministerium übernommen haben, ist der ministeriell-industrielle Filz etwas besser sortiert. Doch bei allen Mühen bleiben die Herausforderungen gleich: Kaum scheint ein Projekt auf gutem Wege, zeigen sich neue Probleme. Beim »Rüstungsboard« in Koblenz ging es am Donnerstag um Großprojekte mit einem Finanzvolumen von über 60 Milliarden Euro, also um zwei Drittel der Rüstungsgelder - und die meisten der besprochen Projekte sind als Problemfälle bekannt.

Da ist der A 400 M-Transporter, dessen ersten drei an die Luftwaffe ausgelieferte Exemplare noch immer nicht so richtig fliegen wollen. Da sind die elektronische Aufklärungsdrohnen, da sind das neue taktische Luftverteidigungssystem und der Seeaufklärer »Orion«. Ob bei der Debatte zum Satellitensystem TanDEM-X die Strafanzeige des Linksparteiabgeordneten Michael Leutert eine Rolle spielte, der in dieser Sache einen Verstoß gegen das Außenwirtschaftsrecht ausgemacht haben will, ist zwar nicht durchgesickert. Doch dürfte auch ansonsten genug Ärger auf der Agenda gestanden haben. Zum Beispiel Probleme mit den Tiger- und NH 90-Hubschraubern ebenso wie die mit dem Eurofighter, dem Puma-Schützenpanzer und diversen anderen Marineprojekten.

Aufgerufen war beispielsweise auch das Thema Korvetten: Fünf sogenannte K 130 hat die Deutsche Marine. Die zwischen 2008 und 2013 in Dienst gestellten Schiffe werden gern als hochmodern gelobt. Doch tatsächlich haben sie mehr Probleme aufgeworfen als Wellen gepflügt.

Es begann mit defekten Getrieben. Man musste Giftstoffe aus den Maschinenräumen entfernen. Wenn die Kähne dann wirklich aus dem Hafen schipperten, musste man so tun, als nehme da ein Kriegsschiff Fahrt auf. Tatsächlich aber handelte es sich - was aus friedenspolitischer Sicht ja zu begrüßen wäre - um fast demilitarisierte Waffensysteme. Erst in diesem Jahr hat Generalinspekteur Volker Wieker eine Auswahlentscheidung für das fehlende AimEG-System getroffen: jene Hubschrauberdrohne für die »Aufklärung und Identifizierung im maritimen Einsatzgebiet«, die als Auge und Ohr der Korvetten fungieren soll. Ohne solche Sinnesorgane aber hat man in den an Bord eigentlich für richtige Hubschrauber gedachten Hangars viel Platz, aufgefischte Flüchtlinge unterzubringen. Gut so - wobei die Drohnenhelikopter auch bei der Flüchtlingsrettung hilfreich wären. Experten hoffen, dass die Spähflugobjekte 2021 an Bord sein könnten. Immerhin schwimmen die Schiffe überhaupt.

Das Hauptwaffensystem der Korvetten sind Flugkörper vom Typ RBS 15 Mark 3. Die Lieferanten sind die deutsche Firma Diehl und das schwedische Unternehmen SAAB. Die Raketen sollen größere Schiffe in bis zu gut 200 Kilometern Entfernung bekämpfen und außerdem gegen stationäre Landziele eingesetzt werden können. 30 Stück hat man bestellt, 25 davon mit scharfem Gefechtskopf. »Schon« 2013 waren die ersten an Bord. Es gab zwei Schießversuche. Die Raketen starteten normal - und plumpsten dann recht kläglich ins Wasser, die erste nach 15 Sekunden, die zweite nach neun Minuten.

Nun hat der Bundesrechnungshof einen Bericht zu den 60 Millionen Euro teuren Pfuschraketen verfasst, die eigentlich seit 2009 einsatzklar sein sollten. Seit 2015 sind sie das auch, sagt die Bundeswehr - und schönt damit noch immer die Tatsachen. Denn obwohl die Herstellung der Einsatzbereitschaft der Raketen die Bundeswehr weitere Millionen gekostet hat, sind sie noch immer nicht gegen Landziele zu verschießen. Das GPS-Navigationssystem funktioniert nicht richtig.

Zudem hat die Bundeswehr mit den Herstellern offenbar so schlecht verhandelt, dass sie die Kosten für eine zweite Versuchsreihe selbst tragen muss. Und mehr noch: Die Lenkflugkörper müssen alle vier Jahre - wie es heißt - »rezertifiziert« werden, also eine Art TÜV durchlaufen. Zunächst wollte man damit eben diejenigen betrauen, die den Pfusch geliefert hatten: Die Kosten über die geplanten 40 Einsatzjahre hätten weitere 169 Millionen Euro betragen. Dann rechnete man aus, dass die Bundeswehr 103 Millionen sparen kann, wenn sie das selbst übernähme. Nach weiteren Rügen durch die Finanzaufseher schlug das Ministerium als Lösung die Kooperation mit anderen Marinen vor, die diese Waffen nutzen. So lassen sich zumindest 16 Millionen Euro einsparen. Etwas verwirrend mutet da an, dass auf der Tagung in Koblenz dem Vernehmen nach auch über die Entwicklung neuer Flugkörper für die Marine auf der Tagesordnung stand.

Da darf und muss man gespannt bleiben, welche Überraschungen die kommende vermeintliche Allzweck-Wunderwaffe der Marine namens »Mehrzweckkampfschiff 180« bieten wird. Erstmals wurde ein maritimes Rüstungsvorhaben dieser Größenordnung europäisch ausgeschrieben. 2023 ist die Indienststellung des ersten Schiffes geplant. Sechs sollen es werden.

Bis dahin werden wohl auch die anderen Teilstreitkräfte mit immer neuen Mängelmeldungen für Kopfschütteln sorgen - da muss man sich, wie dem Vernehmen nach nun das Rüstungsboard, mit dem Skandalgewehr G 36 gar nicht befassen. Dabei hatte die Ministerin im vergangenen Jahr vehement Ersatz für die Krummflinte gefordert. Jüngst nun sickerte geheimnisvoll durch, der Generalinspekteur habe im Februar ein Papier mit dem Namen »FFF Sturmgewehr Bundeswehr« gebilligt. Sicher wieder ein großer Wurf - zumindest für die Rüstungsindustrie.