nd-aktuell.de / 25.04.2016 / Kultur / Seite 16

Der beredte Mensch von Sichuan

Joschka Fischer in China

Christian Y. Schmidt

Am 13. April reiste der ehemalige deutsche Außenminister Joschka Fischer in die chinesische Provinz Sichuan, um hier einen Vortrag zu halten. Die wesentliche Aussage dieser Rede war offenbar, dass für die Provinz Sichuan die Übernahme des deutschen dualen Berufsausbildungssystems ökonomische Vorteile bringen könnte. Nachdem Fischer mit seinen Ausführungen zu Ende war, wurde er vom Sichuan Institute of Industrial Technology als strategischer Entwicklungsberater verpflichtet. Der Präsident der Universität überreichte dem ehemaligen deutschen Vizekanzler das entsprechende Zertifikat.

Das Interessante an diesem Vorgang ist, das allein die englischsprachige chinesische Zeitung »China Daily« über ihn berichtete. Kein einziges deutsches Medium hielt es für nötig, auch nur ein Wort über diese hochkarätig besetzte Konferenz in der Provinzstadt Deyang zu verlieren, auf der - soweit man dem Veranstaltungsprogramm glauben darf - neben Fischer auch der Parteisekretär der Provinz Sichuan, Wang Dongming, und der Gouverneur, Yin Li, anwesend waren, und die von der Provinzregierung Sichuans und der deutschen Handelskammer organisiert worden war.

Niemand fragt, was Fischer eigentlich für das Thema qualifiziert, zu dem er sich - so weit das zu überblicken ist - zuvor nie geäußert hat; keiner, auf welche Weise der Mann denn die Hochschule überhaupt beraten will. Niemand scheint auch zu interessieren, wieviel Honorar in dieser Sache geflossen ist. Dabei scheint die einzige Qualifikation, die Fischer für seinen Beraterposten mitbringt, die Tatsache zu sein, das er einst in ein politisches Amt gewählt wurde, das ihm diverse Verbindungen in Politik und Wirtschaft verschafft hat. Dass ein Politiker diese Verbindungen nach dem Ende seiner Laufbahn zu Geld macht, hält man inzwischen in Deutschland für völlig normal.

Passiert Ähnliches jedoch in Russland, China oder auch bloß Pakistan oder Brasilien, ist das natürlich etwas völlig anderes. Dann heißt der Vorgang ... Wir sehen gerade, unsere Sendezeit ist zu Ende. Das Wetter.