Vom Trost

Philippe Noiret tot

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.
Der Uhrmacher von St. Paul«. Ein Handwerker erlebt im Film von Bertrand Tavernier die Mordanklage gegen seinen Sohn (er brachte einen Spitzel um), wird aus seinem Weltbild geworfen, stürzt in die Realität - und begreift den Sohn. Die Wandlung eines kleinen Bürgers. Noiret gibt spielend der Einfalt eines Menschen etwas zurück, das man Adel nennen könnte. Den Adel des unverstellten Instinkts, was gut und böse, gerecht und ungerecht ist. Wo Adel zurückgegeben wird, muss er anderswo genommen werden. Es ist die Welt draußen, die in diesem Film ihren Adel verliert. »Cinema Paradiso« von Giuseppe Tornatore: Noiret als blinder Kinovorführer mit einem kleinen Jungen als Partner. Beglückend trauriger kann man den Zauber nicht spielen, der Sehen ins Schauen hebt. Das Schöne träumen ist wahnsinniger als das Schöne leben. Zwei Filme von sehr vielen («Das späte Mädchen«, »Das alte Gewehr«, »Das große Fressen«). Noiret, in Lyon geboren und zunächst Filmkritiker, gehörte zu den Schauspielern, die mit zunehmendem Alter gesichtsvoller werden. Das Runde wich dem Kantigen. Das phlegmatisch Verschmitzte machte einem härteren, illusionslosen Blick Platz. Aber jene Tröstlichkeit, die der Franzose von Beginn an ausstrahlte, jene Lust an einer listigen Behäbigkeit, die so ungemein beruhigte und berührte - sie ließ nicht nach. »Alexander, der glückselige Träumer«, so hieß ein früher Film. Ein Bauer bleibt nach dem Tod seiner Frau einfach im Bett. Noiret als Oblomow. Wahre Revolution: Ein Mensch bleibt bei sich. Und die Wirklichkeit reagiert wie immer - wenn einer zu sich selbst kommt, ruft sie am lautesten: Komm endlich zu dir! Noiret, der Brütenden Gestalt gab und Brutalen, gemäßigt Feurigen und lohend Schüchternen, ist noch beim Ungeheuerlichsten einer Filmgestalt ein Empfindsamkeits-Virtuose geblieben; selbst da, wo er stampfte, ging seine Seele auf Zehenspitzen. Am Donnerstag ist der große Theater- und Filmschauspieler, sechsu...

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