Klima-Killer Braunkohle wird weiter begünstigt

Bundesumweltminister Gabriel stellt Klimaschutzziele ab 2008 vor

  • Susanne Götze
  • Lesedauer: 3 Min.
Deutschland wird seine Klimaschutzziele ab 2008 verschärfen. Damit soll der Druck auf Energiewirtschaft und Teile der Industrie erhöht werden, ihren Kraftwerkspark zu modernisieren und den CO2-Ausstoß zu reduzieren.
Klimasünder werden ab 2008 stärker zur Kasse gebeten. Nach dem neuen Nationalen Allokationsplan (NAP II) sollen Energiewirtschaft und Industrie wesentlich weniger Verschmutzungsrechte erhalten, als bisher geplant. Deutschen Umweltverbänden gehen die Änderungen dennoch nicht weit genug. Sie fordern eine Versteigerung der Zertifikate sowie eine Abschaffung der Bonusregelung für Neuanlagen. »In der zweiten Handelsperiode werden wir die Schrauben kräftig anziehen«, erklärte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel gestern in Berlin bei der Veröffentlichung des NAP II für die Handelsperiode 2008 bis 2012. Wenn Deutschland das 21-Prozent-Minderungsziel noch schaffen wolle, müsse die Menge der kostenlos an die Energiewirtschaft und Industrie vergebenen Zertifikate verringert werden. Für die kommende Handelsperiode soll laut Gabriel deshalb die Obergrenze (Cap) der erlaubten Kohlenstoffdioxid-Emissionen nur noch 464 Millionen Tonnen pro Jahr betragen. Damit revidiert der Minister seinen ersten Entwurf von Juni 2006, in dem er noch eine Cap von 482 Millionen Tonnen festgelegt hatte. Damit müssen in der kommenden Handelsperiode 26,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. Im ersten Entwurf vom Juni hatte sich Gabriel noch mit 15 Millionen Tonnen begnügt. Derzeit »spart« der Emissionshandel gerade einmal jährlich zwei Millionen Tonnen. Ursache für die Revision ist eine erst kürzlich abgeschlossene Datenerhebung für die Jahre 2003 und 2004. Diese ergab, was Umweltverbände seit Jahren prophezeien: Die Minderungsziele für die erste, gerade laufende Handelsperiode von 2005 bis 2007 waren viel zu niedrig angesetzt. Über 13 Millionen Tonnen wurden demnach 2003 und 2004 mehr ausgestoßen als angenommen. Auf Druck der EU-Kommission musste Gabriel nun seine Werte korrigieren. Ob der deutsche NAP-II-Entwurf dieses Mal durchgeht, ist noch offen. Der Umweltminister ist auch sonst nicht gut auf die Kommission zu sprechen. Er beklagte gestern die mangelnde Transparenz bei der Bewertung der Allokationspläne und warf der EU vor, mit den nationalen Regierungen nicht ausreichend zu kommunizieren. Ärger gibt es auch auf Grund der deutschen 14+4- und 10+4-Regelung. Diese sieht vor, dass neu gebaute, emissionsärmere Anlagen eine garantierte Zuteilung für 18 (NAP I) bzw. 14 (NAP II) Jahre zugesagt bekommen. Für Gabriel sichert das den Anlagenbauern die Investitionssicherheit und schafft Anreize für den Bau moderner Kraftwerke. Außer der EU-Kommission, die diese Zuteilungs-Regelung für wettbewerbswidrig hält, wettern auch die Umweltverbände gegen die Ausklammerung neuer Anlagen aus den Minderungsverpflichtungen. Der Minister setze sich mit der Neuanlagen-Regelung weiterhin dafür ein, dass klimazerstörende Braunkohlekraftwerke Investitionssicherheit erhalten und somit gefördert würden, moniert Greenpeace-Klimaexpertin Gabriela von Goerne. Die umweltpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Eva Bulling-Schröter, kritisierte, dass große Energieversorger wie RWE und E.on mit ihrer Vielzahl von Alt- und Neuanlagen einen »guten Schnitt« machten, während kleine Stadtwerke mit nur einem Kraftwerk besonders hart getroffen würden. Gabriel hingegen hält an der Bevorteilung neuer Anlagen fest. Er kündigte an, diese auch gegen Widerstand der EU-Kommission nicht kampflos aufzugeben. Viel Lob erntete der Umweltminister auch sonst nicht für seinen neuen Klimaschutzplan. Die Ökoverbände werfen ihm vor, mit der Korrektur nur einer Rüge der EU-Kommission in der nächsten Woche zuvorgekommen zu sein. Zudem seien für die neu zuzuteilenden Zertifikate keine Versteigerungen vorgesehen. Es zeichnet sich aber ab, dass der Minister auch hier der Zeit hinterherhinkt. Er gab am Freitag zu, dass sich die Stimmen für eine Auktionierung der Zertifikate mehrten. Er warte derzeit die Entscheidung des Bundeskartellamtes ab, bei dem Industrieverbände gegen die »Windfall Profits« der Energieunternehmen geklagt hatten. Es sei nicht unwahrscheinlich, so Gabriel, dass man auch in dieser Frage umdenken werde.
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