»Ehrenmann« mit »Weitsicht«

Otto Schily hielt den Untersuchungsausschuss zum Besten

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Donnerstag lud der Untersuchungsausschuss, den der Bundestag zur Aufdeckung ungesetzlicher Taten im Anti-Terror-Krieg installierte, Ex-Bundesinnenminister Schily vor.
Vor Otto Schilys Auftritt hatte der Ausschuss sich noch zwei Fleißaufgaben gesetzt. Erstens vernahm man Günter Krause, unter Schily wie heute Polizei-Abteilungsleiter des Innenministeriums. Zweitens war der Vizepräsidenten des Bundeskriminalamtes Bernhard Falk - einer der »besten Polizisten, die ich kenne« (Schily) - geladen. Thema: Die Entführung des deutschen Staatsbürgers Kalid El Masri durch US-Geheimdienste Ende 2003. Krause erzählte, dass er Anfang Juni 2005 eigentlich nur illegal von dem Vorfall erfahren hat. Und das kam so: US-Botschafter Coats hatte einen eiligen Termin beim damaligen Minister Schily erbeten, der empfing den Diplomaten - Pfingstmontag hin und her - am 31. Mai 2004 für eine gute Viertelstunde. Coats hatte, was noch immer geheim ist, den CIA-Chef seines Hauses mitgebracht, Schily seinen Unterabteilungsleiter für Terrorbekämpfung namens Schindler. Der berichtete einen Tag später seinem Chef Krause, was da beredet wurde. Ein klarer Vertrauensbruch gegenüber seinem Minister und dessen Gast, denn Schily und Coats hatten Vertraulichkeit vereinbart. Mehr noch: Schindler verfasste eine Aktennotiz über das Treffen und informierte die Vizepräsidenten des Verfassungsschutzes und des Bundeskriminalamtes darüber, was doch angeblich unter acht Augen bleiben sollte. Wer Schily nur ein wenig kennt, erwartet nun, dass der die indiskreten Beamten Schindler und Krause unter lauten Schimpfkanonaden in die Pförtnerloge eines Kreis-Polizei-Museums versetzt hätte. Doch nichts dergleichen. Das macht stutzig, Den Untersuchungsausschuss sogar kollektiv. Zumal Krause meinte, dass Schindler und er die Ministerweisung »intelligent interpretiert« hätten. Intelligent wofür? Als Alibi, um zu zeigen, dass der Minister erst nach El Masris Freilassung von dem »ungeheuerlichen Vorgang« (Schily) erfahren hat, den er gegenüber Coats »scharf missbilligt« (Schily) hat? Es gibt viele Gründe, weshalb man glauben kann, dass die Bundesregierung lange vor dem Treffen mit Coats Bescheid wusste. Am späten Abend, als der Ex-Minister auch zu dem indiskreten Vorgehen seiner Beamten befragt wurde, war Schily noch immer nicht bereit, seine Leute zu tadeln. Indizien, die die Opposition im Ausschuss wohl vermerkte. Es gibt eine seltsam Häufung von Aktivitäten in diesem Zeitraum. Am 16. Mai 2004 - nach fünf Monaten US-Folterknast - wird El Masri in Kabul von einem vermutlich deutschen Beamten namens Sam vernommen, dessen Identität noch immer unbekannt ist, aber zu allerlei Vermutungen in Richtung BND anregt. El Masris Bitte um Hilfe bleibt ungehört, er tritt am 20. Mai erneut in einen Hungerstreik, am 21. Mai erscheint Sam erneut und stellt ihm die Freilassung in acht Tagen in Aussicht. Zur gleichen Zeit ist Otto Schily in der afghanischen Hauptstadt, »um sich über die hervorragende Arbeit deutscher Polizisten bei der Ausbildung afghanischer Kollegen zu informieren« (Schily). Doch Krause, der wie Schindler und BKA-Vize Falk dabei waren, meint: Über den Fall El Masri sei nicht geredet worden. Nicht einmal beim Abendessen, an dem der US-Botschafter mit geheimen Gefolge teilgenommen hat. Skeptische Nachfragen zum Small Talk beantworte Krause mit dem energischen Satz: »Schily ist ein Ehrenmann, kein Gauner!« Was wusste der Ehrenmann zur Aufklärung des Falles El Masri beizutragen? Der zu cholerischen Ausbrüchen neigende Ex-Minister hatte sich im Griff - und brach lieber seine Brille als das Schweigen. Der Grünen-Abgeordnete Ströbele bot dem so Behinderten seine an und hörte: »Ich weiß nicht, ob sie die gleiche Weitsicht haben ...« Der Satz war Programm. Obwohl Schily in öffentlicher Sitzung beteuerte, in geheimer Beratung redseliger zu sein, der Ausschuss also in einen abhörsicheren Raum umzog, behielt Schily das Heft des Handelns in der Hand. Mit Betonung las er einen Satz aus der Aussagegenehmigung, die ihm Schäuble formuliert hatte, vor. Er betraf den Schutz der Interessen der Bundesrepublik. Was immer man Schily fortan fragte: Seine Antwort lautete: »Dazu sage ich nichts!«
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