Die Wahrheit scheibchenweise

Die Erde hat es vor langer Zeit aufgegeben, eine Scheibe zu sein. Der Mensch nicht. In Guben bereitet er gerade seine Auferstehung im Stapel vor. Lauter flache Scheiben sind es, in denen sich die Avantgarde der Untoten erhebt, von einem Plastinator zerlegt und wieder zusammengesetzt. Guben freut sich, dem eigenen Siechen einen Riegel vorgeschoben zu haben, indem es der industriellen Fertigung von Zombies eine Heimstatt gab. Doch muss man dem Plastinator Gunther von Hagens nicht wenigstens so viel Visionäres zugestehen wie dem Terminator Arnold Schwarzenegger? Er ist jemand, der dem Vormarsch des Flachbildschirms das passende Menschenbild hinzufügte! Da steht der Plastinator dem Terminator in nichts nach. Von Hagens for Guben's Governor! Räumliches bereitet der menschlichen Vorstellung seit jeher Mühe. Weil sie über eine Ebene nur widerwillig hinausgeht. Als Summe von Scheiben aber kann man sich sogar Ottfried Fischer beim Bungee Jumping vorstellen, ohne in Panik zu verfallen. Es gibt außer Gunther von Hagens nur einen Menschen, von dem bekannt ist, dass er die Kunst des Teilens von Menschen in Scheiben wirklich beherrscht: Angela Merkel. Dies hat Horst Seehofer offenbart. 20 Scheiben gewinnt der Plastinator aus einem Körper, im Längsschnitt. Die Bundeskanzlerin schafft mehr. Der Bundesverbraucherminister spricht von Angela Merkel bereits als einem »mobilen Computertomographen«. Sie seziere alles und jeden scheibchenweise, um dann die sicherste Schlussfolgerung zu ziehen. Ein mobiler Computertomograph also. Gruselige Vorstellung! Ein Alpha-Tier sei die Kanzlerin, so Seehofer. Auch nicht besser. Und zudem etwas, das man bisher nur ihrem Vorgänger zugestanden hat. Man erinnert sich prompt, wie Gerhard Schröder vor einem Jahr in der Nachwahl-Fernsehrunde spontan dem Wahnsinn verfiel und Angela Merkel interessiert ihren Zoom auf ihn einstellte. Tomographie des Terrors. Wie lächerlich die wiederkehrenden Forderungen Peter Strucks an Merkel nach einem Basta à la Gerhard Schröder! Während er noch lästert, hat Merkel längst die weiche Stelle in seiner Birne analysiert. Rede dich nur um Kopf und Kragen, mag sie denken. So wie Schröder. Kürzlich erst ist herausgekommen, was Merkel längst gewusst haben muss. Ein Komplott war gegen sie geplant. Edmund Stoiber sollte unter dem immerwährenden Kanzler Schröder die Union in der Großen Koalition anführen, ein CDU-Parteitag sie, Angela, ablösen. Merkel blieb freundlich wie ein Computertomograph. Sie protokollierte, wie ihre Alpha-Strahlen Schröder in den Wahnsinn trieben. Angela Merkel, das Alpha-Strahlentier, mobil, geruch- und geräuschlos. Aber allgegenwärtig. Kein Wunder, dass die übrigen Mitglieder der Bundesregierung ins Hintertreffen geraten. Nur die Hälfte der Bevölkerung weiß, dass Ulla Schmidt Gesundheitsministerin ist, und damit ist sie noch die bekannteste. Nur auf neun und sieben Prozent Bekanntheit bringen es Brigitte Zypries und Heidemarie Wieczorek-Zeul. Seehofer übrigens liegt bei elf Prozent. In der Summe aller Scheiben und nach Bestrahlung durch die Alpha-Kanzlerin. Einen Emissär soll Schröder nach München geschickt haben, um den Plan mit Stoiber im Detail auszuhecken. Einen Nichtpolitiker angeblich. Hat Peter Hartz versucht, Stoiber in eine Sauna zu locken? Oder haben die Scorpions, Schröders Leib- und Magentruppe, Edmund mit dem »Wind of Change« verweht? Nur eines ist bisher wirklich bekannt: Stoiber zog sich nach seiner Sezierung nach München zurück und ließ Schröder im Stich. Schon vorher hatte er nur in Scheiben gesprochen. Selbst Scheibenkleister half nicht. Nun, nur noch ein Schatten seiner selbst, irrt er mit eingelegtem Bußgang umher und findet selbst beim Papst keine Erlösung. In Merkels Nähe wird er kaum mehr gesehen. Zu gern würde man ihren mobilen Datenspeicher wenigstens nach Schröder befragen. Noch während der lamentierte, nie werde sie Kanzlerin werden, war auch er säuberlich in seine allerflachsten Bestandteile zerlegt. Kein Sterbenswörtchen sollte in dieser Zeitung eigentlich noch über Schröder geschrieben werden. Doch wenn es eigentlich um die Kanzlerin geht, muss eine Ausnahme gemacht werden. Als Merkels Plastinat bleibt Schröder ein lohnender Gegenstand. Die Wahrheit offenbart sich scheibchenweise. Leichenveredle...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.