nd-aktuell.de / 18.05.2016 / Ratgeber / Seite 23

Arbeitsvertrag ist entscheidend

Was man zu Überstunden wissen sollte

Es ist keine Alltäglichkeit: Aber der Schreibtisch quillt über. In der vereinbarten Arbeitszeit ist das Arbeitspensum einfach nicht zu schaffen. Doch ob Sie Überstunden leisten müssen und wann Sie pünktlich in den Feierabend können, richtet sich nach Ihrem Arbeitsvertrag.

Arbeiten Sie über die für Ihr Beschäftigungsverhältnis geltende Arbeitszeit hinaus, leisten Sie Überstunden. Im Grundsatz sind Sie nicht verpflichtet, Ihren Feierabend den Überstunden zu opfern. Die Betriebsvereinbarung oder der Tarifvertrag geben Auskunft über die Arbeitszeiten.

Arbeitsvertragliche Regelung von Überstunden

Möchte sich Ihr Arbeitgeber Ihrer Arbeitstreue auch während sonst üblicher Mußestunden versichern, wird er dies in den Arbeitsvertrag schreiben. Bevor Sie also den Wunsch Ihres Chefs mit empörtem Kopfschütteln quittieren, prüfen Sie Ihren Arbeitsvertrag. Sie sind nämlich zum betrieblichen Eifer nach Dienstschluss verpflichtet, wenn Sie sich arbeitsvertraglich dazu verpflichtet haben.

Finden Sie eine Klausel in Ihrem Vertrag, nach der Sie »auf Anordnung Überstunden zu leisten haben, soweit dies betrieblich erforderlich ist«, müssen Sie sich fügen.

Tipp: Nach spätestens zehnstündiger Arbeitspflicht ist aber endgültig Schluss. Länger dürfen Sie in der Regel nach dem Arbeitszeitgesetz nicht arbeiten.

Sind Überstunden in Ihrem Arbeitsvertrag kein Thema, kann Ihr Chef nur im Notfall oder außergewöhnlichen Fällen Überstunden anordnen. Sollten technische Probleme, Überschwemmungen oder unvorhergesehene Stromausfälle den Arbeitsablauf behindern, verlangt Ihre arbeitsvertragliche Treuepflicht besonderen Einsatz. In solchen Fällen können Sie sich also nicht auf die vereinbarte Arbeitszeit berufen.

Bezahlung von Überstunden

Enthält Ihr Arbeitsvertrag keine Informationen zur Bezahlung von angeordneten und geleisteten Überstunden, muss Ihr Chef Ihnen diese dennoch bezahlen, sofern das branchen- und betriebsüblich ist. Dies gilt auch dann, wenn in Ihrem Arbeitsvertrag steht, dass Überstunden mit dem Festgehalt bereits abgegolten sind. Diese Klausel ist in der Regel unwirksam (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 1. September 2010, Az. 5 AZR 517/09). Sie können Bezahlung verlangen.

Tipp: Vor Gericht müssen Sie jede einzelne Überstunde beweisen. Dokumentieren Sie Ihre Stunden und lassen diese bestenfalls auch von Ihrem Vorgesetzten unterschreiben!

Entscheidend für den Vergütungsanspruch ist immer, was in Ihrem Arbeits- oder eventuell Tarifvertrag steht. Ihr Chef muss angeordnete Mehrarbeit dann bezahlen, wenn sie in den Verträgen nicht wirksam ausgeschlossen ist.

Aus einem für Sie geltenden Tarifvertrag ergibt sich meist die genaue Regelung zur Überstundenvergütung. Sie können diese Bezahlung verlangen.

Enthält Ihr Arbeitsvertrag keine Regelung zur Überstundenvergütung und es gilt auch kein Tarifvertrag, ergibt sich die Bezahlung (sofern betriebs- und branchenüblich) aus dem Gesetz § 612 BGB.

Für leitende Angestellte gilt das Arbeitszeitgesetz nicht. Grundsätzlich kann man von leitenden Angestellten Mehrarbeit erwarten. Sie haben keinen grundsätzlichen Anspruch auf Extravergütung (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Februar 2012, Az. 5 AZR 765/10). Hintergrund dieser Regelung ist, dass leitende Angestellte meist nach der Erfüllung Ihrer Arbeitsaufgaben bezahlt werden und nicht nach Stunden.

Geleistete Mehrarbeit kann grundsätzlich - bei entsprechender Vereinbarung - auch mit Freizeit ausgeglichen werden. ERGO/nd