nd-aktuell.de / 18.05.2016 / Politik

Braunkohle-Gegner wissen nichts vom Bombenbau

Vattenfall wirft Umweltschützern von »Ende Gelände« schwere Straftaten vor

Bombenattrappen, Manipulationen der Gleise und Signalanlagen: Die Vorwürfe Vattenfalls gegen die Umweltaktivisten wiegen schwer. Doch diese sind sich keiner Schuld bewusst und bleiben dabei: Der Protest war friedlich.

Braunkohlegegner haben im Tagebau Wezow-Süd in der Lausitz nach Darstellung des Betreibers Vattenfall eine »Spur der Verwüstung« hinterlassen. Mehrere Tage nach den Protesten des »Klima-Camps« und »Ende Geländes« wendete sich der Energiekonzern in einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit.

Vattenfall geht in seiner Argumentation mit Aktivisten hart ins Gericht: Diese hätten angeblich mehrere Vorrichtungen an den Gleisen der Kohlebahn angebracht, um eine Zugentgleisung herbeizuführen, wie ein Sprecher des Konzerns mitteilte. Wer dies begangen habe, habe »billigend in Kauf genommen, dass Menschenleben gefährdet werden«, hieß von Vattenfall. »Ebenso wurden Signalanlagen manipuliert und eine Bombenattrappe versteckt.« Tausende hatten über Pfingsten in der Lausitz für den raschen Ausstieg aus der Kohle protestiert. Unter anderem wurden der Tagebau Welzow-Süd besetzt und der Nachschub für ein Kraftwerk blockiert.

Bei Rangierarbeiten nach dem Ende der Aktion sei eine Lok kurzzeitig entgleist, so der Sprecher. Die Lok konnte demnach nur deswegen wieder auf den Schienen zum Stehen kommen, weil sie langsam gefahren sei. »Ein Zugzusammenstoß wegen manipulierter Signalanlagen konnte dank erhöhter Aufmerksamkeit verhindert werden.«

Angesprochen auf die Anschuldigungen Vattenfalls, reagierte eine Bündnissprecherin erstaunt. »Wir haben ein Wochenende lang friedlich gegen Umweltverschmutzung und die Braunkohleindustrie demonstriert. Die genannten Vorwürfe sind uns überhaupt nicht bekannt.« So seien die Massenproteste am Sonntagmittag beendet worden, die Lok aber angeblich am Dienstag entgleist. »Wir verstehen nicht, wie nach dieser zeitlichen Verzögerung so ein Unfall geschehen konnte und wir dafür verantwortlich gemacht werden.«

Auch zur Bombenattrappe kann die Sprecherin wenig sagen, außer dass das Bündnis einen Aktionskonsens hat, der jegliche Gewalt gegen Menschen strikt ablehnt. So heißt es auf der Homepage: »Wir werden uns ruhig und besonnen verhalten, von uns wird keine Eskalation ausgehen, wir gefährden keine Menschen. Wir werden mit unseren Körpern blockieren und besetzen, wir werden dabei keine Infrastruktur zerstören oder beschädigen. Absperrungen von Polizei oder Werkschutz werden wir durch- oder umfließen und uns auf keine Provokationen einlassen.« Weiter heißt es: »Unsere Aktion richtet sich nicht gegen die Arbeiter*innen von Vattenfall oder gegen die Polizei.«

Redakteure des »nd«, die von Donnerstag bis Samstag den Protest begleiteten, haben - bis auf die Besetzung des Kohlekraftwerks »Schwarze Pumpe« - kein gegenteiliges Verhalten der Demonstranten beobachten können. Die Stimmung sei friedlich gewesen und der Protest wurde in den vielen Besprechungen und Plena versucht, in friedlichen Blockaden zu lenken.

»Vattenfall versucht, berechtigten und legitimen Protest und das Anliegen, die Umwelt zu schützen, mit solchen Anschuldigungen zu diskreditieren«, ist sich die Bündnissprecherin sicher. »In dem Schreiben wird versucht, die Bewegung zu kriminalisieren, mit keinem Wort wird aber auf die gewalttätige Pro-Kohle-Demonstration eingegangen.«

Die Bündnissprecherin erklärte, rechte Gruppen und Kohlebefürworter hätten immer wieder die Aktivisten vom »Klima-Camp« und »Ende Gelände« angriffen. So seien Autos verfolgt und Menschen verletzt worden. Die Polizei musste zeitweise das Camp der Aktivisten vor rechten Gruppierungen schützen. Das Vattenfall auf diese Übergriffe bisher nicht einging, löste Unverständnis bei den Aktivisten aus.

Im Gegensatz zum Energiekonzern bewertete die Brandenburger Polizei den Verlauf der Demonstrationen als überwiegend friedlich. In einer Erklärung heißt es: »Auch während der Protestveranstaltungen lag der Fokus der Polizei auf Kommunikation und Deeskalation. Es ging in einer schwierigen, manchmal auch unübersichtlichen Einsatzlage um Augenmaß und Verhältnismäßigkeit.« Das Konzept sei weitgehend aufgegangen. »Die ganz überwiegende Zahl der Klima-Aktivisten hat sich friedlich verhalten.«

Auf »nd«-Anfrage bei der Polizeistelle Brandburg Süd erklärte eine Pressesprecherin, dass die Vorkommnisse des Wochenendes momentan noch ausgewertet würden. Ob tatsächlich eine Bombenatttrappe auf das Gelände gefunden wurde, blieb deshalb erst einmal weiter unklar. nd/Agenturen