nd-aktuell.de / 19.05.2016 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Die Maschine übernimmt

Laut OECD sind in Deutschland durch die Digitalisierung zwölf Prozent der Jobs gefährdet

Simon Poelchau
Die Digitalisierung führt zu einer Polarisierung am Arbeitsmarkt. Während Hochqualifizierte sehr gefragt sind, werden viele Jobs für Geringqualifizierte wegfallen.

Ob Selbstbedienerkassen oder autonom fahrende Lkw - die Automatisierung der Arbeit schreitet unaufhaltsam voran. Manch ein Ökonom prophezeit schon eine Zukunft ohne Arbeit. Die beiden Forscher Carl Frey und Michael Osborne schätzten im Jahr 2013 etwa, dass fast die Hälfte aller Jobs in den USA in den nächsten zwei Jahrzehnten vernichtet werden könnten. Herunter gebrochen auf die Europäische Union wären dies 54 Prozent aller Arbeitsplätze und in Deutschland 42 Prozent.

Der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) der 34 führenden Industriestaaten waren solche Vorhersagen Anlass genug, sich vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) die möglichen Folgen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt berechnen zu lassen. Am Mittwoch stellte die OECD die Ergebnisse vor. Ihr Tenor: Ganz so schlimm, wie es Frey und Osborne schilderten, wird es nicht. Doch weitreichende Auswirkungen auf die Arbeitswelt wird die Digitalisierung definitiv haben.

So geht die OECD davon aus, dass in ihren Mitgliedsstaaten durchschnittlich neun Prozent aller Arbeitsplätze sehr wahrscheinlich durch Maschinen ersetzbar sind. Bei weiteren rund 25 Prozent könnte die Digitalisierung das Tätigkeitsfeld massiv verändern. Doch ob die technische Revolution im Saldo zu mehr Arbeitslosigkeit führen wird, »lässt sich nicht genau vorhersehen«, wie OECD-Sozialpolitik-Expertin Monika Queisser feststellte. Denn nicht jede technische Erneuerung ist für die Unternehmen rentabel und wird eingeführt. Zudem kann die Digitalisierung auf der einen Seite zwar Arbeitsplätze zerstören, auf der anderen Seite aber neue schaffen.

Dabei kam es in der Vergangenheit zu einem massiven Wandel auf dem Arbeitsmarkt. Seit der Jahrtausendwende werden in der EU und den USA immer weniger Jobs, für die man ein mittleres Qualifikationsniveau braucht, nachfragt. Die Arbeitsplätze der Mittelschicht gehen also verloren, während Hochqualifizierte immer stärker gefragt sind. Und vor allem in den USA boomte in der Vergangenheit der niedrig entlohnte Arbeitsmarkt für Geringqualifizierte.

Doch gerade die Jobs der Unterschicht könnten künftig der Automatisierung zum Opfer fallen. So schätzt die OECD, dass 40 Prozent aller Arbeitsplätze, für die man eine einfaches Bildungsniveau braucht, der Automatisierung zum Opfer fallen könnten, während es bei den Akademikerjobs lediglich fünf Prozent sind.

Jedoch bedeutet einfache Tätigkeit nicht unbedingt automatisch den Jobverlust. Besonders von der Ersetzung durch Maschinen gefährdete Tätigkeiten sind nämlich einfache Routinetätigkeiten. Dort, wo viel mit anderen Menschen kommuniziert werden muss, ist das Risiko eher gering. So ist der Job der Kassiererin stärker gefährdet als der der Kellnerin.

Dies ist auch ein Grund, warum in den einzelnen Ländern unterschiedlich viele Arbeitsplätze gefährdet sind. Denn von Land zu Land wird unterschiedlich viel kommuniziert und interagiert am Arbeitsplatz. Weitere Faktoren sind der Anteil der Hochqualifizierten in den Betrieben und der Stand der Technologie. Die Faustregel: Arbeiten in einem Land besonders viele Akademiker oder haben die Unternehmen schon viel in neue Technologien investiert, so sind weniger Jobs durch die Digitalisierung gefährdet. In allen drei Bereichen sieht es in Deutschland und Österreich jedoch schlecht aus, weshalb hier zwölf Prozent aller Stellen der Automatisierung zum Opfer fallen könnten, während es laut der OECD in Ländern wie Estland, Finnland oder Südkorea lediglich sechs Prozent sind.

Eine Folge der Digitalisierung, die die OECD besonders beschäftigt, ist indes die Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse. Die neuen Kommunikationsmittel können nämlich einen vormals fest angestellten Grafiker zu einem Freiberufler machen - mit geringeren Karrierechancen, weniger Weiterbildungsmöglichkeiten und einer schlechteren bis gar keiner sozialen Absicherung.