Kribbeln, Zucken, Ohnmacht

Spezialist rät bei Epilepsie zu Besonnenheit: die meisten Anfälle sind kein Notfall

  • Lesedauer: 2 Min.
Ein »klassischer« epileptischer Anfall ist in der Regel ungefährlich. Allerdings können sich Betroffene durch einen Sturz verletzen.

Fünf von 100 Menschen haben irgendwann in ihrem Leben einen epileptischen Anfall. Das kann von einer Veranlagung herrühren oder nach einem Schlaganfall oder einer Gehirntumoroperation auftreten - wenn sich im Gehirn zu viel Erregung in den Nervennetzen aufbaut. Manchmal ist es nur ein Kribbeln in den Gliedmaßen oder eine sekundenschnelle unbemerkte Ohnmacht. Manchmal kommt es zu Sinnestäuschungen, etwa als Déjà-vu-Erlebnis. Ein großer Anfall beginnt mit Versteifungen und Zuckungen, der Betroffene ist für zwei, drei Minuten nicht ansprechbar.

Doch nur selten ist ein Anfall ein Notfall, heißt es in der Fachzeitschrift »Gute Pillen - Schlechte Pillen«, die den Spezialisten Dr. Christian Brandt befragt und aufgelistet hat, was im Fall des (An-)Falles von Angehörigen, Freunden oder Passanten zu beachten ist. Brandt, leitender Abteilungsarzt im Epilepsie-Zentrum Bielefeld-Bethel, plädiert dafür, an Stelle von »Epileptiker« besser »Menschen mit Epilepsie« zu sagen. Die meisten lebten mit dieser Krankheit recht »normal«. Viele benötigen aber Arzneimittel, einigen hilft ein chirurgischer Eingriff.

Manche Menschen mit Epilepsie ahnen es (»Aura«), wenn ein Anfall naht und sind in der Lage, den Verlauf zu unterbrechen - etwa durch Techniken wie Zählen oder indem sie an etwas Besonderes denken. Manchmal lässt sich das trainieren.

Tritt ein Anfall ein, können Angehörige oder Passanten Brandt zufolge dafür sorgen, dass die betroffene Person sich nicht verletzt, etwa an der Glasplatte auf dem Wohnzimmertisch oder auf der Straße. Nach dem Anfall sollte man die Person - sofern sie noch bewusstlos ist - in die stabile Seitenlage bringen, die Atemwege frei machen und abwarten, ob er oder sie sich gut erholt. Entweder begleiten Sie die Person oder sie geht allein ihres Weges.

Angehörige können Notfallmedikamente (mit einem Wirkstoff aus der Gruppe der Benzodiazepine) geben, die in den Mund getröpfelt oder als Rektaltube in den After gegeben werden. Dies ist aber nur sinnvoll, wenn jemand nicht nur einen einzelnen Anfall bekommt, sondern Serien, oder der Anfall nicht von selbst aufhört. Einem Betroffenen einen Beißkeil oder Löffel in den Mund zu schieben, damit er oder sie sich nicht auf die Zunge beißt, ist aus Expertensicht sinnlos und kann zu Verletzungen führen. Falsch ist auch, sie oder ihn festzuhalten, um Zuckungen zu unterbinden.

Den Rettungsdienst (112) müssen Sie bei einer bekannten Epilepsie nur rufen, wenn der Mann, die Frau oder das Kind blutet oder anderweitig verletzt ist, wenn ein großer Anfall länger als fünf Minuten dauert oder der Betreffende nicht wieder zu sich kommt. nd

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