nd-aktuell.de / 27.05.2016 / Politik

HDP-Politiker: Die Türkei wird zum autoritären Führerstaat

Naci Sönmez: »Wenn wir im Gefängnis sitzen, werden wir von dort Widerstand leisten«

Berlin. Der Ko-Vorsitzende Naci Sönmez der Grün-Linken Zukunftspartei (YSGP), Teil des prokurdischen Wahlbündnisses HDP, hat die Europäische Union vor den Folgen der staatlichen Repression in der Türkei gewarnt. »Es wird eine neue Krisenepoche geben«, sagte der Politiker im »nd«-Interview (Wochenendausgabe). Der Krieg in Syrien habe Millionen Menschen in Richtung Türkei bewegt. Durch die Kämpfe in den kurdischen Gebieten würden sich nun weitere Menschenmassen gen Westen aufmachen.

In der Aufhebung der Immunität von 138 Abgeordneten durch das türkische Parlament sieht Sönmez eine große Gefahr für das Land. »Die letzten Ereignisse führen die Türkei in einen autoritären Führerstaat.« Momentan wären rund 20 HDP-Abgeordnete von Strafermittlungen betroffen, aber er rechne damit, dass es mehr werden, wenn neue Anklagen das Parlament erreichen. In den Untergrund solle die prokurdische Partei aber nicht gehen, resümierte er. »Die HDP muss ununterbrochen auf ihre Legalität und Legitimität beharren.« Sollten die Abgeordneten doch festgenommen werden, werde man trotzdem weiterkämpfen. »Wenn wir im Gefängnis sitzen, werden wir von dort Widerstand leisten«, sagte Sönmez gegenüber »nd«. Mit den Strafermittlungsbehörden der türkischen Justiz würden die HDP-Abgeordneten nicht kooperieren. »Keine Aussage wird freiwillig abgegeben. Wenn es unbedingt sein soll, dann müssen die Polizisten ins Parlament kommen und die Abgeordneten abholen.« Die Gerichte der Türkei seien zurzeit nicht selbstständig. »Die HDP wird deswegen den Aufrufen der Staatsanwälte nicht folgen, sondern nur das machen, was sie für richtig hält.« Der 35-jährige Politiker rechnet damit, dass es bald Neuwahlen in der Türkei geben wird. Es wäre für die HDP dann wichtig, mit allen Kräften daran teilzunehmen.

Die Linke innerhalb der Türkei hält er jedoch momentan zu schwach, um die Absichten des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und der regierenden Partei AKP zu verhindern. »Die demokratischen Kräfte in der Türkei brauchen Europa«, sagte Sönmez. »Die EU sollte hier Haltung zeigen. Die Türkei ist kein sicheres Land mehr.« Der Ko-Vorsitzende der YSPG fordert die Entsendung von internationalen Beobachtern und Delegationen in die Konfliktgebiete, um die dortige Zivilbevölkerung zu schützen. Die YSPG besteht seit dreieinhalb Jahren und ist Gründungsmitglied der prokurdischen HDP (Demokratische Partei der Völker).

Das komplette Interview lesen Sie in der Wochenendausgabe von »neues deutschland«.