Der Horror der Provinz

Im Kino: »Green Room«

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 2 Min.

Es ist die alte, aber (bei guter Umsetzung) immer wieder reizvolle Geschichte von coolen Großstädtern, die durch Pech und Fahrlässigkeit in die Hände provinzieller Monster geraten. Ein ganzes Genre von Horrorfilmen wie »The Texas Chainsaw Massacre« widmet sich dieser Konstellation, diesem etwas simplen Kampf zwischen einer fortschrittlichen Jugend und rückständigen Hinterwäldlern. In Jeremy Saulniers geradlinigem, blutigem und überraschendem Gewalttrip »Green Room« wird noch ein weiteres Subgenre verarbeitet: der »Belagerungsthriller«, in dem eine ausweglos gefangene Gruppe einen aussichtslos erscheinenden Abwehrkampf gegen immer neue Eindringlinge führen muss.

Begleitet wird das wilde Schlachtfest von einer Spur schwarzen Humors und jeder Menge harter Musik: Die Punkband Ain’t Rights tourt durch das ländliche Oregon und nimmt aus Geldmangel das Angebot eines Konzerts in einem bekannten Skinhead-Schuppen an. Es sage also niemand, sie seien nicht gewarnt gewesen. Bis auf einige auf die Bühne fliegende Bierflaschen geht aber zunächst alles glimpflich ab - selbst dann noch, als die dezidiert linke Band den Punkrockklassiker »Nazi Punks Fuck Off« von The Dead Kennedys anspielt. Die Band ist schon auf dem Weg zum Auto, da wird sie im letzten Moment fatalerweise Zeuge eines Mordes. Belagert von Horden kahlrasierter Hillbillys unter der Führung des knurrenden Obernazis Darcy Banker (»Enterprise«-Käpten Patrick Stewart) verbarrikadieren sich die wohl noch nie in einen Nahkampf verwickelten Musiker im »Green Room« und durchlaufen gezwungenermaßen einen Schnellkurs in Sachen ultrabrutale Selbstverteidigung.

Regisseur Saulnier hat sich schon mit seinem so harten wie originellen Rachethriller »Blue Ruin« (2014) als große Nachwuchshoffnung empfohlen. Mit dem ziemlich unterhaltsamen, gut gespielten und auch visuell stimmigen »Green Room« setzt er noch eins drauf. Als eines seiner Markenzeichen scheint sich die unvermittelte Darstellung krasser, aber kurzer Gewaltakte innerhalb eines eher dramamäßigen Geschehens zu etablieren. Und dadurch, dass im grünen Raum auch »Nazis« sozusagen mitgefangen sind, vermeidet er allzu platte oder kollektive Schuldzuweisungen - so ist es ausgerechnet eine junge (nach optischen Kriterien) Nazi-Frau, die die möglicherweise rettenden Einfälle hat. Sie ist es auch, die die Arroganz der Großstadtpunks durch Einblicke in ihnen fremde Gesellschaftsrealitäten etwas neutralisiert.

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