nd-aktuell.de / 09.06.2016 / Politik

Polizei räumt Obdachlosenlager in Hamburg

Ordnungsamt verhängt Allgemeinverfügung für Nobistor / Kritik am Bezirk: Hilflose Aktion gegen hilflose Betroffene

Florian Brand

In Hamburg-Altona hat die Polizei am Donnerstagmorgen ein Obdachlosenlager am Nobistor zwangsaufgelöst. Mehrere Mannschaftswagen seien im Einsatz gewesen, um Amtshilfe zu leisten, teilte ein Polizeisprecher mit. Gegen 7.30 Uhr sei das Camp geräumt worden und den zum Teil noch schlafenden Obdachlosen vor Ort ein bis 22 Uhr währender Platzverweis ausgesprochen worden, so der Pressesprecher. Rund zwölf DemonstrantInnen begleiteten die polizeiliche Maßnahme und solidarisierten sich mit den Obdachlosen. Sie forderten »Wohnraum für Alle«.

Anlass für die Räumung war eine am Mittwochabend vom Ordnungsamt Altona veröffentlichte Allgemeinverfügung, wonach »Personen, die den oben genannten Bereich zur Errichtung von Behelfsunterkünften sowie zum vorübergehenden oder dauerhaften Übernachten oder Wohnen in diesen Behelfsunterkünften nutzen« aufgefordert werden, den Park bis Donnerstagmorgen 7 Uhr zu verlassen.

Der sozialpolitische Sprecher des Hamburger Straßenmagazins »Hinz&Kunzt«, Stefan Karrenbauer, verurteilte die Räumaktion und kritisierte den Hamburger Senat. Durch die Räumung werde das Problem nur vordergründig »bereinigt«, nicht aber grundlegend gelöst. Auch in anderen Teilen Hamburgs kämen nun nach dem Ende des Winternotprogramms wieder mehrere hundert Menschen zum Vorschein, die kein sicheres Dach über dem Kopf hätten, sagte Karrenbauer gegenüber dem »nd«.

Martin Roehl, Sprecher des Bezirksamt Hamburg-Altona, verteidigte die Aktion. In jüngster Vergangenheit habe es vermehrt Beschwerden von Anwohnern gegeben, die aufgrund der dortigen »Massierung« von Menschen – darunter mutmaßlich auch Drogenabhängige – das Gebiet rund um das Nobistor meiden würden. Auf einem angrenzenden Spielplatz seien vermehrt Spritzen gefunden worden, auch hätten vereinzelte Personen ihre Notdurft unter Balkonen verrichtet.

Zuletzt schliefen rund 30 Personen regelmäßig in dem angrenzenden Park am Nobistor. Nach Angaben der Polizei waren es zum Zeitpunkt der Räumung nur noch zehn Personen.

»Man entlässt die Menschen in die Perspektivlosigkeit ohne konkrete Hilfsmaßnahmen, wo sie die nächsten Tage schlafen sollen«, sagte Karrenbauer. Die Aktion zeige sowohl die Hilflosigkeit der Obdachlosen, die alles mit sich machen ließen, als auch die Hilflosigkeit des Bezirks, der sich nicht anders zu helfen wisse. Der Sozialarbeiter schlug deshalb vor, leerstehende Flüchtlingsunterkünfte für Obdachlose herzurichten, solange diese nicht für Geflüchtete gebraucht würden.