Spür die Heilkraft der Musik!

Cosmic Afro-Funk-Jazz: Idris Ackamoor & The Pyramids sind zurück

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch wieder so eine Sache, an die sich heute kaum jemand erinnert, weil heute anscheinend alle bloß noch Bumstechno oder Fahrstuhlmusik hören wollen. Dabei ist diese Musik auch deshalb so zeitlos schön, weil sie so wenig rechtwinklig und berechenbar daherkommt: Spiritual Jazz, Cosmic Jazz. Sun Ra, das Art Ensemble of Chicago, Don Cherry, Pharoah Sanders usw.

Als in den späten Sechzigern der Versuch unternommen wurde, die Forderung nach der Emanzipation der schwarzen Bevölkerung mit einem Aufbruch in bis dahin kaum erkundete musikalische Welten und der Wiederaufnahme afrikanischer und indischer Musiktraditionen zu verbinden, war die musikalische Grenzüberschreitung Methode. Um Transzendenz herzustellen. Und weil die öden, alten Regeln nicht mehr gelten sollten. Die Suche nach Gott sollte auch als Suche nach einem Ort, an dem totale Freiheit und Ekstase zusammenkommen, verstanden werden.

In den 70er Jahren, lang ist’s her, taten sich in dieser Richtung die Pyramids, deren Kernmitglieder sich angeblich während ihres Musikstudiums in einem Seminar des Avantgarde-Jazzpianisten Cecil Taylor kennenlernten, besonders hervor. 1977 wurde, nach drei erschienenen Alben, das Gruppenexperiment wieder beendet.

Seit 2010 aber ist das Kollektiv unter Führung des Saxophonisten und Bandchefs Idris Ackamoor, der eine besondere Vorliebe für die traditionelle ghanaische Musik hegt, wieder aktiv. Plötzlich erschien obendrein nach über 30 Jahren Pause auch ein neues Album der Band (»Otherworldly«).

Seinen Stil hat das Ensemble im Wesentlichen über die Jahre beibehalten: nervöser Afro-Funk, exzessive afrikanische Polyrhythmik, freie Improvisation, naseweise Erkundungen und Spielereien zwischen Hardbop und Free Jazz. Ganz und gar nicht die Sorte Jazz also, mit der man sich auf dem Grillabend des SPD-Ortsvereins Großenkneten Freunde machen würde.

Als die Pyramids im vergangenen Jahr im Roten Salon der Volksbühne auftraten, muss es, glaubt man dem »Tagesspiegel«, zu denkwürdigen Szenen gekommen sein: »Bandleader Idris Ackamoor gibt im schillernden Discoglitzerkostüm den Zeremonienmeister, der seine Mitspieler an Kontrabass, E-Bass, Schlagzeug, Violine und einem Sammelsurium exotischer Instrumente (Bambuströten, Muschelhörner) zu neuen Höchstleistungen anspornt, während er selbst vom Saxophon zum Keyboard oder Waschbrett wechselt.« Man macht sich ein Bild davon.

Auch auf aktuellen Bandfotos posieren die Veteranen ordnungsgemäß in grellfarbenen Glitzeranzügen oder eigenwillig gemusterten Gewändern und tragen wagemutige, aber fesche Kopfbedeckungen. Ackamoor bietet übrigens hie und da auch Workshops an, in denen auch Menschen ohne Vorkenntnisse im Umgang mit Musikinstrumenten spielerisch das weite Universum der Klänge erkunden und die heilende Kraft erfahren können, die die Musik spendet. »Wir sind alle eine Familie, die menschliche Familie, und wir brauchen den anderen, um auf diesem Planeten, den wir alle teilen, zu überleben«, sagt Ackamoor. Ohne Zweifel ein Hippie, der Mann.

Idris Ackamoor & The Pyramids: »We Be All Africans« (Strut/Indigo)

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