nd-aktuell.de / 10.06.2016 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Bis hierher und nicht weiter

Lebensmittelriesen einigen sich auf Fangverzicht

Andreas Knudsen, Kopenhagen
Durch den Klimawandel schmilzt das Arktiseis - zurück bleiben potenzielle neue Fischereigewässer. Greenpeace will den Fang dort verhindern - Konzerne ziehen mit.

Im gleichen Takt wie das arktische Meereseis abtaut und sich weiter nach Norden zurückzieht, öffnen sich neue, bisher unerreichbare Fanggründe für die kommerzielle Fischerei. Bedingt durch ihre bisherige abgeschiedene Lage gibt es weder zuverlässige wissenschaftliche Untersuchungen zur Größe der Bestände noch internationale Abkommen zur Regulierung der Fischerei. Deshalb ergriff Greenpeace die Initiative und untersuchte den gegenwärtigen Stand der Dinge. Die Umweltschützer konstatierten in ihrem Bericht »This far, no further« (Bis hier und nicht weiter), dass die Marktwirtschaft schneller reagiert als Regierungen agieren konnten. Fischereischiffe verschiedener Länder sind demnach bereits aktiv und beuten die jungfräulichen Gewässer aus. In diesem Fall ist es vorzugsweise Norwegen, das eingreifen und regulieren müsste, aber in gewissem Umfang auch Russland und Dänemark.

Die Gewässer um die Inselgruppe Spitzbergen (Svalbard) herum gehören zu Norwegens exklusiver ökonomischer Zone, hier gibt es bereits eine Reihe von Kontroll- und Schutzmaßnahmen. Generell gilt die Fischerei in der Barentssee und der Norwegischen See als die am beste regulierte der Welt. Es gibt Fangquoten und Schutzzeiten, die von den Schiffen der norwegischen Küstenwache kontrolliert werden. Gleichgültig, ob die Fänge in Norwegen, Russland, Dänemark oder anderswo angelandet werden, wird ihre Herkunft registriert, mit Zertifikaten versehen und mit den festgelegten Fangquoten verglichen.

Die Gebiete der nördlichen Barentssee, die durch den Klimawandel langsam eisfrei werden, sind doppelt so groß sind wie Frankreich und noch nicht reguliert. Für Kabeljaufischer etwa eine interessante neue Einnahmequelle. Gefischt wird Kabeljau meist mit Grundschleppnetzen. Diese Fangart hat einen schlechten Ruf bei Umweltschützern, da viel Beifang anfällt, der wieder über Bord geworfen wird. Zudem richten die Netze große Schäden auf dem Meeresboden an.

Um die Bestände für die Zukunft zu erhalten und zu beschützen, müssen deshalb schnellstmöglich Regulierungs- und Überwachungsmaßnahmen ergriffen werden. Bevor diese beschlossen worden sind und greifen, gelang es Greenpeace, eine Reihe der großen Konzerne der Lebensmittelbranche und Fischereiindustrie vom Nutzen zu überzeugen, vorläufig keinen Kabeljau aus unregulierten Gebieten zu kaufen. Dazu gehören die Fastfoodkette McDonalds, die Supermarktkonzerne Tesco und Salisbury’s, der Tiefkühlproduzent Findus sowie Fischfang- und -verkaufsunternehmen aus Norwegen, Dänemark und Russland.

Die Absatzmöglichkeiten für nicht regulierten Fisch sind damit wesentlich kleiner geworden. Die Signalwirkung von Teilen der privaten Lebensmittelindustrie an die übrigen Spieler im Markt ist unübersehbar, kann aber staatliche Regulierung nicht ersetzen. Norwegen müsste handeln, aber politisch wäre es auch wünschenswert, wenn der Arktische Rat als Organisation der Länder Dänemark, Finnland, Island, Kanada, Norwegen, Russland, Schweden und den USA Maßnahmen zur Regulierung der Fischerei in der Arktis ergreifen würde. Ansätze dazu gibt es bereits durch Russland, Norwegen, Dänemark, Kanada und USA, aber verbindliche Abkommen fehlen noch.