nd-aktuell.de / 22.06.2016 / Brandenburg

Nachbessern am Kreisreformwerk

Rot-Rot stellt mehr Geld für den Übergang zur künftigen Verwaltungsstruktur in Aussicht

Wilfried Neiße
Die Regierungskoalition reagiert auf Kritik an der geplanten Kreisreform. SPD und LINKE wollen betroffene Verwaltungen im Fall auftretender Probleme vor allem mit höheren Zuschüssen unterstützen.

Wenige Wochen, bevor Brandenburgs Landtag über die Verwaltungsreform abstimmen wird, bemüht sich die rot-rote Koalition, Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Diese Reform ist der Entscheidung vorgeschaltet, die Kreisgrenzen im Land neu festzulegen.

Nach einer stürmisch verlaufenden Anhörung von Landräten und Bürgermeistern vor einigen Tagen, die dem Projekt überwiegend skeptisch gegenüberstehen, sind die Regierungsparteien vor allem bemüht, den Reformgegnern den Mund mit Geld zu stopfen.

Wie der Abgeordnete der Linksfraktion Hans-Jürgen Scharfenberg am Dienstag sagte, müsse bei Aufgabenübertragung an eine neue Verwaltungsebene eine »volle Kostenerstattung« erfolgen. Daher lautet ein Änderungsvorschlag der Regierungsfraktionen, dass die ursprüngliche Berechnungsbasis 2014 nicht mehr gelten soll. Kritiker hatten angemerkt, dass sich in der Zwischenzeit die Kosten stark erhöht haben und künftige Kommunalverwaltungen auf der Differenz sitzen bleiben würden. Allerdings schränkte Scharfenberg ein, dass das Ziel der Haushaltskonsolidierung des Landes nicht gefährdet werden dürfe.

Zwar bleibt das Regierungslager dabei, dass 22 Aufgaben auf die kommunale Ebene übertragen werden sollen, doch sind einige seit Neuestem »mit Prüfvermerken versehen«, wie Scharfenberg bekanntgab. Das heißt, die Auswirkungen sollen betrachtet werden, bevor endgültige Entscheidungen fallen.

Verhalten müssen sich LINKE und SPD auch zu der Besorgnis, dass Städte im Zuge der Reform eine Kreisverwaltung und damit Arbeitsplätze, Status und Bedeutung einbüßen. So empfiehlt der modifizierte Entwurf »zusätzliche Unterstützungen im Falle des Kreissitzverlustes«.

Auf die Frage, ob das nicht die Kosten der Reform enorm erhöhen müsse - denn zugesagt ist auch eine Teilentschuldung für Großstädte, die ihre Kreisfreiheit verlieren sollen -, sagte SPD-Fraktionschef Mike Bischoff, für den gesamten Vorgang habe das Land 415 Millionen Euro bereitgestellt. Das sei mehr als in Bundesländern, die eine solche Reform schon vorgemacht haben. Mit dem gewählten Verfahren befinde man sich »auf der Zielgeraden«, er zweifle nicht an einer stabilen Mehrheit der Koalition für die Reform.

Das sieht die Opposition anders. Die Koalition habe »kalte Füße« bekommen, in der SPD sei ein »Zurückrudern« zu beobachten, hieß es in einer Stellungnahme der Freien Wähler. Wenn jetzt die Weiterexistenz der Amtsgemeinden zugesagt werden sollte, so handle es sich um ein »pseudo-demokratisches Geschenk« an die Grünen-Fraktion im Landtag mit dem Ziel, angesichts der wackligen eigenen Mehrheit die Stimmen der Grünen zu gewinnen und das Unternehmen Verwaltungsreform überhaupt zu retten. Allerdings handle es sich um ein »Märchen«, dass auf diese Weise ein Demokratiegewinn erreicht werde, denn am Ziel, kleine Gemeinden per Verlust der Finanzhoheit auszuhebeln, ändere sich dadurch nichts.

»Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nicht ausgemacht, wie wir uns entscheiden«, sagte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel dazu. »Es wird mit uns gesprochen.« Seine Fraktion sehe einen grundsätzlichen Reformbedarf, erkenne die Notwendigkeit dafür und werde eine Reihe von Änderungsanträgen stellen. Man werde auch keine Ultimaten verkünden, vielmehr werde eine Lösung auf dem Verhandlungsweg gefunden oder eben nicht. Zur Kenntnis nehme seine Partei, dass die SPD nun doch die Amtsgemeinden erhalten wolle, andernfalls würde ein »Herzstück« der Reform herausgeschnitten. »Das hat uns sehr beunruhigt.« Dass die Aufsicht über Jugendheime künftig bei der Kreisebene liegen solle, bezeichnete Vogel als ein »No Go«. Kritisch sehe er auch, dass die Aufsicht über den Naturschutz bei denn künftigen Kreisverwaltungen liegen solle.

Daniel Kurth, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sagte, es habe nicht nur Kritik an der Vielzahl der beabsichtigten Übertragungen von Aufgaben an die künftige kommunale Ebene gegeben, sondern - im Gegenteil - auch daran, dass es noch viel zu wenige seien.

Im Juli stimmt der Landtag über die Verwaltungsreform ab - eine geheime Abstimmung sei nicht vorgesehen, sagte Scharfenberg.