nd-aktuell.de / 01.07.2016 / Sport / Seite 19

Wales entdeckt den Fußball

Das letzte britische Team glaubt ans Halbfinale

Thomas Wolfer

Die Freudentänze und Jubelschreie der Waliser Fußballer waren für den großen Nachbarn dann doch etwas zu viel. Englands sensationelles Aus bei der EM gegen Außenseiter Island bejubelten Gareth Bale und Co. derart euphorisch, als hätten sie selbst gerade den Titel gewonnen - und ernteten dafür Kritik aus dem Mutterland des Fußballs. Dabei haben sie vor dem Viertelfinale gegen Belgien am Freitag in Lille doch allen Grund, sich über sich selbst zu freuen.

»Es war kein Video, das unseren fehlenden Respekt zeigen sollte. Wir waren beim Abpfiff einfach nur richtig stolz, dass wir das letzte britische Team im Turnier sind«, sagte Verteidiger Chris Gunter: »Es ist einfach fantastisch, dass in Island ein weiteres kleines Land weitergekommen ist; ein weiteres Team, dass viele vor dem Anpfiff schon abgeschrieben hatten.«

So wie die Waliser eben. Kaum jemand hatte es ihnen ernsthaft zugetraut, eine Chance auf das Halbfinale zu haben, während die Engländer schon geschlagen zu Hause sitzen. »Es sind auch nur elf Spieler auf dem Feld, die ein anderes Trikot tragen«, sagte Trainer Chris Coleman mit Blick auf die favorisierten Belgier um Spielmacher Kevin de Bruyne. »Unser Fokus ist nur auf uns selbst. Belgien ist ein gutes Team, deswegen sind sie hier. Deswegen sind aber auch wir hier.«

Eigentlich ist Wales eine Rugbynation, doch in den vergangenen Wochen entdeckten immer mehr der knapp 3,1 Millionen Einwohner ihr Herz für Bale und seine Mannschaftskollegen. Sie strömten in Scharen nach Frankreich, sorgten nicht nur beim Achtelfinalsieg gegen Nordirland (1:0) für positive Stimmung und feierten den bislang größten Erfolg des Neulings in ihren roten Shirts mit einer riesigen Party.

Dass es Wales bei der EM überhaupt so weit gebracht hat, überrascht selbst die eigenen Spieler. In Wales fiebern alle dem Viertelfinale entgegen. Wie hart die Aufgabe nun aber wird, verdeutlichte Trainer Coleman: »Wenn du zu offen bist, gehen sie durch dich durch wie ein Messer durch Butter. Belgien hat die Leute, um das zu schaffen«, sagte er. »Wir sind zwar die Außenseiter, aber ganz so einfach wird das für sie nicht. Wir freuen uns auf die Herausforderung.« SID/nd