Donald Trump unter »friendly fire«

Hunderte US-republikanische Delegierte versuchen, die Nominierung des Präsidentschaftsbewerbers zu stoppen

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit einem Anti-Clinton-Tweet samt Davidstern-Umrissen hat Donald Trump am Wochenende erneut für einen Sturm der Kritik gesorgt.

Für Soldaten, die im Gefecht aus den eigenen Reihen beschossen werden, entstand das Wort »friendly fire«. Der mutmaßliche Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner, der Milliardär Donald Trump, sieht sich gut zwei Wochen vor dem Wahlkonvent in Cleveland (Ohio) verstärktem Beschuss aus den eigenen Reihen gegenüber - aber anders als beim Militär nicht aus Versehen. Hunderte Delegierte des Parteitags, dessen Zweck die Nominierung des erfolgreichsten Vorwahlkämpfers als Präsidentschaftskandidat ist, sollen sich Insidern zufolge in einer Bewegung zusammengefunden haben, um dem einzig verbliebenen Anwärter Trump diese Krönung zu verwehren. Ihr Motto lautet »Never Trump«, niemals Trump. Sie wollen dem Mann, der die Primaries gewonnen und die nötige Delegiertenmehrheit gesichert hat, die Nominierung, erst recht seine Wahl zum Präsidenten versagen.

Ob der Widerstand Erfolg haben wird, ist völlig offen. Dass er jedoch statt kleiner zu werden zunimmt, seit Trump Anfang Mai die letzten parteiinternen Konkurrenten aus dem Feld geschlagen hat, ist bemerkenswert. Es zeugt vom wachsenden Unbehagen auch in konservativen Kreisen über den Krawallkandidaten, der mit seiner Kritik am System Washington viel Zustimmung findet, aber mit verlogenen, rassistischen und sexistischen Ausfällen Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit nährt. Vergangene Woche erst hatte Trump seine Zustimmung zu Folter bekräftigt sowie internationale Handelsabkommen als »Vergewaltigung der Vereinigten Staaten« eingestuft und gedroht, sich vor allem »China vorzuknöpfen«.

Schon als Trump Wahlkampfmanager Corey Lewandowski entließ und deutlich wurde, dass seine Kampagne weniger frei verfügbares Geld besitzt als manch ausgeschiedener Rivale, sah er sich neuen Hürden gegenüber. Der einflussreichste Republikaner im Kongress, Abgeordnetenhaussprecher Paul Ryan, der Trump erst spät und zögernd seine Unterstützung in Aussicht gestellt hatte, sagt jetzt, er erwarte von keinem, dass er wegen Trump gegen sein Gewissen abstimme. Der republikanische Senator für Wisconsin, Ron Johnson, äußerte, er sei »sich gar nicht sicher, dass The Donald der Nominierte der Republikaner wird«. Er werde den offiziell Nominierten unterstützen, sagte Johnson CNN. »Doch kein Mensch kann vorhersagen, wie das Ergebnis des Konvents aussehen wird. Die Lage bleibt sehr ungewiss.«

Laut aktueller CNN-Umfrage wünschen 48 Prozent der Republikaner einen anderen Kandidaten als Trump. Seit dieser die letzten innerparteilichen Rivalen ausschaltete, ist es ihm nicht gelungen, die Partei hinter sich zu versammeln. Das liegt auch daran, dass sich die zwischenzeitlich gehegte Hoffnung, nach seinem Vorwahlsieg werde der Öffentlichkeit ein neuer, berechenbarerer und zivilisierterer Trump entgegentreten, nicht erfüllte. Donald blieb Donald: rassistischer Ausfall gegen einen US-Richter mexikanischer Herkunft, selbstgefällige Reaktion auf das Massaker von Orlando, Diffamierung republikanischer Politiker, von denen er sich nicht genügend gewürdigt sieht, und Aussperrung unliebsamer Medien von Trumps Veranstaltungen.

Diese Erfahrungen treiben auch die »Niemals Trump«-Bewegung an, die aber keine einheitliche Aktion darstellt. »Alles, was die Anhänger trennt«, so der »Guardian«, sei »geringfügig verglichen mit dem, was sie eint. Kurz gesagt, finden alle ›Never Trump‹-Anhänger, dass Donald Trump ein verlogener, instabiler, für das Präsidentenamt ungeeigneter Größenwahnsinniger ist, den sie unter keinen Umständen wählen können. Die ›Never Trump‹-Bewegung hängt nicht davon ab, am Ende einen eigenen Kandidaten zu haben. Es handelt sich bei ihr um Widerstand. Und der wird bestehen, so lange der Bewerber Donald Trump heißt.«

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