nd-aktuell.de / 08.07.2016 / Politik / Seite 13

Wo der JVA-Chef eine Massenflucht organisiert

Münster. Fünf vor Zwölf zeigt die Uhr der Justizvollzugsanstalt Münster: Am Donnerstag wurde bekannt gegeben, dass die gesamte JVA in Nordrhein-Westfalen wegen Einsturzgefahr geräumt werden muss. Binnen 48 Stunden sollen Busse die fast 500 Gefangenen in andere Standorte bringen. In ihre Kiste dürfen die Insassen Besitztümer von höchstens zehn Kilo Gewicht einpacken - es muss schnell gehen: Ein Gutachten hat das 160 Jahre alte JVA-Gebäude in der Innenstadt von Münster für akut einsturzgefährdet erklärt. Was nicht in die Kisten passt, soll nachgeliefert werden. 34 Gefangene bleiben aber in Münster, ihre Zellen in neueren Gebäudeteilen sind nicht gefährdet. JVA-Leiter Carsten Heim kann die Aufregung nicht nachvollziehen.

Seit Jahren wird über einen neuen Standort gestritten, denn den Bauexperten macht die Statik der JVA längst Sorgen. Sensoren messen, ob es in den Decken zu Verschiebungen kommt. »An diesen Messdaten hat sich in letzter Zeit aber nichts geändert«, sagt Heim. Ein aktuelles Gutachten, vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW in Auftrag gegeben, formulierte jedoch noch größere Bedenken. Bei Erschütterungen von außen wie Schwertransporten drohe akute Gefahr. »Die Gefangenen finden das natürlich nicht besonders toll. Ihnen ergeht es wie uns, wenn wir von einem auf den anderen Moment unser Zuhause verlassen müssen«, meint Heim. Sorgen macht er sich besonders um die, die in Münster in speziellen Drogenprogrammen sind oder zur Schule gehen. Diese Angebote sollten an den Ersatz-Orten schnell auch gewährleistet werden. Wie es mit den 270 JVA-Beschäftigen weitergeht? Das sei völlig offen, sagt Heim. dpa/nd Foto: dpa/Friso Gentsch