nd-aktuell.de / 09.07.2016 / Kopfball - die EM im Feuilleton / Seite 9

Trotzdem!

Die Feuilleton-EM-Kolumne

Jochen Schmidt

Wenn mein Eindruck nicht täuscht, dann interpretiert ein Teil der Öffentlichkeit das Ergebnis des Halbfinalspiels zwischen Deutschland und Frankreich so, dass Deutschland nunmehr aus dem Turnier ausgeschieden ist. Dabei stehen wir für jeden, der etwas vom Fußball versteht, im Finale gegen Portugal, das wir natürlich gewinnen werden. Ich denke, unsere Mannschaft sollte einfach zum Finale fahren und auflaufen, man darf sich nicht so leicht ins Boxhorn jagen lassen. Vielleicht siegt ja doch noch die Vernunft. Wozu gibt es denn Schiedsrichter, wenn sie nicht dafür sorgen?

Ich habe selten so eine ungerechte Niederlage gesehen! Im ersten Moment hatte ich mich noch gefreut, dass der Schiedsrichter Elfmeterschießen pfeift, aber dann ließ er nur einen Franzosen schießen und es war Pause. Und nach der Pause wurde das Elfmeterschießen nicht fortgesetzt, obwohl wir in unserer Paradedisziplin jeden Rückstand locker aufholen können, da unsere Spieler charakterlich allen anderen überlegen sind, es gibt ja auch keine Sex-Affären in unserem Team.

Wie soll man denn gewinnen, wenn dauernd Handelfmeter gegen uns gepfiffen werden, wir können doch nichts dafür, dass unsere Spieler Hände haben, oder sollen wir mit elf Sponge Bobs auflaufen? Ich bin gespannt, wie uns die Fußballwelt das jetzt erklären will, dass wir ausgeschieden sein sollen, nur weil die anderen mehr Tore geschossen haben. Dabei hat jeder gesehen, dass der Ball ohne den Torwart mindestens fünfmal hätte reingehen müssen. Und 90 Minuten sind einfach ein bisschen kurz, unsere überragende Physis kommt erst nach ca. drei Stunden zum Tragen, da hätte ich die Franzosen mal sehen wollen! Außerdem hatten wir so viele Verletzte bei uns im Team, sogar ich bin verletzt, und ich schaue nur zu! Und einmal angenommen, wir hätten das Halbfinale wirklich verloren, na und? Das Finale gewinnen wir einfach wieder, wir sind schließlich Weltmeister, dann sind wir ja logischerweise auch Europameister, weil Europa eine Teilmenge der Welt ist. Wenn der Weltmeister nicht automatisch Europameister ist, was hat der Titel denn dann für einen Sinn?

Ich fand es übrigens anrührend, wie verzweifelt die Spieler versucht haben, den Schiedsrichter von der Unangebrachtheit seines Elfmeterpfiffs zu überzeugen, als hätte jemals ein Schiedsrichter eingesehen, dass er sich geirrt hat. Es ist, als würden die alle von meiner Freundin ausgebildet. Wie oft renne ich zu ihr hin, umringe sie und mache mit den Händen italienische Verzweiflungsgesten, aber sie stellt sich taub und starrt in die Ferne. Dafür kann sie aber auch wieder sehr lustig sein. Als sie das erste Mal Can am Ball sah, sagte sie: »Huch, ich dachte, Khedira kann nicht spielen?« Und als sein Name eingeblendet wurde: »Was is’n dis? Can?« »Nicht ›Kahn‹, das ist ›Dschann‹. Kahn spielt nicht mehr.« Sie regt sich auch immer auf, wenn die Spieler Fehler machen. »Die stehen unter enormem Druck!« sage ich dann. »Das tun andere auch in ihrem Beruf.« »Aber da gucken nicht Millionen zu.« »Na und, es zwingt sie ja keiner, Fußball zu spielen.« (Ich glaube, das geht gegen mich, den ja auch keiner zwingt, Kolumnen zu schreiben, statt arbeiten zu gehen und Geld zu verdienen.) »Die Chips schmecken wieder überhaupt nicht nach Paprika«, sage ich, um vom Thema abzulenken. »Dann musst du dir eben eine Paprika kaufen.«

Früher haben Frauen nicht mitgeguckt, da konnte man als Spieler, wenn man ausgeschieden war, hoffen, dass die Spielerfrau es nicht mitbekommt und noch ein bisschen mit den Jungs von der Mannschaft im Ausland abhängen. Das war ja auch immer das eigentliche Ziel bei einem Turnier, möglichst lange nicht nach Hause zu müssen, wo man den Windeleimer leeren und das Flusensieb reinigen muss. Möglicherweise haben die Deutschen deshalb verloren, weil ihre Frauen ihnen Druck gemacht haben, dass sie nach Hause kommen sollen. Und wir sind eben nicht solche Machos wie die anderen Nationen.