»Und dann griff die Polizei uns an«

Aktivist: Während der Rigaer-Proteste wurden auch viele Demonstranten verletzt

  • Elsa Koester
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie haben ein verletztes Auge. Wie ist das passiert?
Ein Polizist hat mir mit seiner Faust auf das Auge geschlagen. Das war gegen Ende der Demonstration zur Unterstützung des Hausprojekts in der Rigaer Straße 94.

Warum waren Sie auf der Demonstration?
Wie fast 4000 andere habe ich gegen die Gentrifizierung in der Stadt protestiert. Die Mieten steigen, viele Hausprojekte der linken Subkultur wurden geräumt oder sind von Räumung bedroht. Die Rigaer steht für eine lange Tradition der Hausbesetzungen in Berlin. Innensenator Henkel will in seiner verbliebenen Amtszeit hart gegen sie vorgehen– er betreibt damit Wahlkampf.

Zur Person

Auf der Demonstration für den Erhalt des Hausprojekts in der Rigaer Straße 94 kam es am Samstag zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. 123 Beamte wurden verletzt. Der linke Aktivist David Doell beteiligte sich an den Protesten und berichtet von verletzten Demonstranten. Er selbst sei von Polizisten geschlagen worden.

Wie meinen Sie das?
Seit Anfang des Jahres geht er hart gegen die Bewohner*innen vor. Im Januar gab es einen SEK-Einsatz mit Hubschrauber, völlig unangemessen. Seit Monaten ist die Polizei im Kiez präsent. Henkel hat Anfang des Monats sogar gesagt, das Hausprojekt werde nicht sein »Vietnam«. So wird die Stimmung aufgeheizt. Henkel versucht, sich als Hardliner darzustellen, der durchgreift.

Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten. Wie haben Sie den Verlauf des Protests wahrgenommen?
Zunächst war die Stimmung gut. Es gab viele Solidaritätsbekundungen für die Rigaer. Nach einiger Zeit zeigte die Polizei mit ihren 1800 Einsatzkräften massiv Präsenz. Sie engte die Demonstranten ein, schubste willkürlich Leute. Das hat die Stimmung aufgeheizt.

In einer Meldung der Polizei heißt es, 123 Beamte seien durch Steinwürfe verletzt worden.
Ich bin im Demonstrationszug weit vorne gelaufen und habe nicht alles gesehen. Aber die Leute sind schon seit längerem wütend, weil ihnen linke Freiräume genommen werden. Wenn sie dann von der Polizei schikaniert werden, werden einige vielleicht auch aggressiv.

In welcher Situation wurden Sie verletzt?
Kurz vor der Warschauer Brücke wurde die Demonstration aufgehalten. Die Polizei hat einzelne Personen herausgezogen und festgenommen. Hier ging die Eskalation eindeutig von der Polizei aus. Wir haben eher versucht, die Situation zu beruhigen. Die Lage war unübersichtlich. Da griffen uns einige Polizisten an. Einer schlug mir dabei unkontrolliert ins Gesicht und verletzte mich am Auge. Ich wurde von den Sanitätern erstversorgt und in ein Krankenhaus gebracht.

Wurden noch weitere Demonstranten verletzt?
Es gibt keine offiziellen Zahlen. Aber ich konnte sehen, wie Knüppel und Pfefferspray eingesetzt wurden. Viele Demonstranten wurden anschließend behandelt. Sie hatten Verletzungen an den Augen, geprellte Rippen, Platzwunden am Körper und Wunden am Kopf, die teilweise genäht werden mussten.

Die Polizei spricht von der gewalttätigsten Demonstration seit fünf Jahren. Haben die Nachbarn Angst vor den Aktivisten?
Mein Eindruck ist, dass sie eher von der Dauerpräsenz und den Kontrollen der Polizei genervt sind. Während der Demonstration zeigten sich viele Anwohner solidarisch, indem sie aus den Fenstern winkten und auf Töpfe schlugen.

In vielen Medien wird nicht so viel Verständnis gezeigt, oder?
Wenn ich mir die an Propaganda grenzende Berichterstattung der »Welt« anschaue, wundert mich das medial schlechte Bild der Rigaer nicht. Da wird das alternative Hausprojekt gezielt gegen die syrische Familie in Stellung gebracht – und behauptet, die Politik der Rigaer richte sich gegen Asylbewerber.

Weil im Haus Flüchtlinge untergebracht werden sollen und sich die Hausbewohner dagegen wehren?
Die Hausbesitzer und Henkel instrumentalisieren die Rechte von Flüchtlingen, um Stimmung gegen die Bewohner zu machen. Dabei ist es Henkel, der mit seiner Politik auf soziale Spaltung setzt. In der linken Szene hingegen wird aktiv Solidaritätsarbeit für Flüchtlinge betrieben. Und zwar seit Jahren, schon vor der »Willkommensbewegung«. Ohne linke Subkultur wäre das nicht zustande gekommen. Auch dafür brauchen wir Freiräume.

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