nd-aktuell.de / 15.07.2016 / Politik / Seite 20

Wetterdienst will genauer Alarm schlagen

Katastrophenwarnungen sollen künftig detailliert für kleine Gebiete herausgegeben werden

Ulrike von Leszczynski
Schöne neue Welt: Mit seinen Karten und einer App will der Deutsche Wetterdienst zielgenauer bei Unwettern Alarm schlagen. Doch die Natur hat weiter ihre Tücken.

Wenn ein heftiges Sommergewitter tobt, können Regenmassen ein harmloses Bächlein in einen reißenden Strom verwandeln oder taubeneigroße Hagelkörner vom Himmel fallen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) will Katastrophenschützern und der Bevölkerung das Leben nun etwas leichter machen. Die Bundesbehörde gibt ihre Unwetterwarnungen ab sofort nicht mehr für Landkreise heraus, sondern detailliert für kleine Gebiete, kündigte Präsident Gerhard Adrian am Donnerstag in Berlin an. Für eine Großstadt wie Berlin bedeute das Alarm für einzelne Bezirke - statt wie bisher für die gesamte Hauptstadt.

Grund für die Umstellung des Systems ist neben besserer Technik so mancher Ärger. »Es kam immer wieder vor, dass wir richtig vor Gewittern in einem Landkreis gewarnt haben, aber nur ein Teil des Gebiets betroffen war. Viele Bewohner fühlten sich falsch alarmiert«, sagt Hans-Joachim Koppert, Leiter der DWD-Wettervorhersage. Seit fünf Jahren arbeite der Wetterdienst an einem räumlich genaueren System - einer Art meteorologischem Zoom. Auf der warnenden Wetterkarte sind dann nur die Gebiete dunkelrot eingefärbt, die es voraussichtlich auch trifft. Im Winter soll das auch für Schneefall gelten.

Wurden bisher Warnungen für 400 Landkreise herausgegeben, sind nun 10 000 Gemeindegebiete im Visier der DWD-Meteorologen. Ganz praktisch kann das heißen: Die Feuerwehr kennt ihre Einsatzorte genauer, Behörden können Straßen sperren oder Open-Air-Konzerte absagen und Bewohner ihre Häuser und Autos besser schützen. Auch für Stromnetzbetreiber und Wasserwerke können die detaillierten Warnungen Vorteile bringen. Doch die Theorie hat Grenzen. Ein Unwetter mit sieben Toten wie es im Juni das niederbayerische Simbach traf, hätte sich auch mit dem neuen System nicht schneller vorhersagen lassen, schränkt Koppert ein. »Das war eine unglaubliche Wetterlage mit chaotischen Prozessen in der Atmosphäre.«

Allein in den beiden Extremwetterwochen von Ende Mai bis Mitte Juni hat der Deutsche Wetterdienst rund 3000 Unwetterwarnungen herausgegeben. Als Schadensbilanz errechneten die Deutschen Versicherer nach Angaben des DWD eine Summe von 1,2 Milliarden Euro - das sei ein neuer Höchststand in einem so kurzen Zeitraum.

»Technisch möglich sind Vorhersagen für kleine Gebiete schon länger. Neu ist, dass es nun auch gemacht wird«, sagt Uwe Ulbrich, Meteorologe an der Freien Universität Berlin. Sinnvoll sei das auf jeden Fall für den Katastrophenschutz. Trotz besserer Wetterradars und Wahrscheinlichkeitsberechnungen leitungsstärkerer Computer lässt sich aber auch für den Wissenschaftler nicht an den Tücken der Natur rütteln. »Intensität und Auswirkungen eines Gewitters auf ein bestimmtes Gebiet lassen sich oft erst eine Stunde vorher eingrenzen«, erläutert er.

Ulbrich ist auch mit der Weitergabe der Warnungen über die Medien nicht ganz glücklich. »Viele Radiosender sind nicht verpflichtet und auch nicht in der Lage, akuten Alarm in ihr Programm zu nehmen«, sagt er. Auch der Deutsche Wetterdienst sieht auf der »letzten Meile« zwischen Alarm und Bevölkerung noch Kommunikationslücken. Die Bürger hätten auch eine Verantwortung, sich nach einer Unwetterwarnung auf dem Laufenden zu halten, sagt DWD-Präsident Adrian. Den detaillierten Wetteralarm soll es ab August auch über die kostenlose WarnWetter-App des DWD geben.

Das Problem Unwetter wird bleiben, selbst wenn ein Wetterradar Wolken inzwischen dreidimensional scannen kann. Es gibt zwar noch keinen Beleg dafür, dass Extremwetter bisher aufs Jahr gerechnet in Deutschland zugenommen haben. »Für die nächsten zehn Jahre gilt eine Zunahme von Extremniederschlägen in Mitteleuropa aber für wahrscheinlich«, sagt Wetterforscher Ulbrich. Denn Treibhausgase beeinflussten auch die Zahl der Tiefdruckgebiete. dpa/nd