nd-aktuell.de / 20.07.2016 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 16

Banker kritisieren EZB-Anleihenkäufe

Notenbank veröffentlich Firmenliste

Jürgen Krämer, 
Frankfurt am Main
Die EZB kauft seit einigen Wochen Unternehmensanleihen auf. Das ist schlecht für Versicherungen und Pensionsfonds.

Seit Juni kauft die Europäische Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die flaue Konjunktur und zu niedrige Inflation Anleihen von Firmen, die ihren Sitz in der Eurozone haben. Nun veröffentlichten die Währungshüter erstmals eine Liste mit den Namen der Firmen. Die liest sich wie das Who is Who der deutschen Großkonzerne. Von Allianz über Siemens und die Energiekonzerne RWE und Eon bis zu den Autobauern Daimler, VW und BMW ist alles dabei, was Rang und Namen hat.

Die Folge der Käufe: Die EZB sorgt für eine starke Nachfrage und im Gegenzug für sinkende Renditen bei Unternehmensanleihen. Für Firmen war es noch nie so günstig, sich über Anleihen frisches Geld zu besorgen. Was die Unternehmen freut, ruft aber Kritiker auf dem Plan, die eine Marktverzerrung anprangern.

»Mit der EZB gibt es einen signifikanten Käufer, der eine große Menge von Anleihen am Markt aufsaugt«, sagt Fraser Lundie von Hermes Investment Management. Mit der starken Nachfrage erreichte die durchschnittliche Rendite von Unternehmensanleihen mit Topnoten der Ratingagenturen nach Einschätzung von Dwight Bolden vom Bankhaus Metzler zuletzt ein Rekordtief von etwa 0,5 Prozent. Demnach wird etwa ein Fünftel der im Handel befindlichen Papiere sogar mit einer negativen Rendite gehandelt. Das heißt, die Investoren akzeptieren eine Art Gebühr anstelle der Verzinsung. Ein Ende des Renditeverfalls sei nicht in Sicht, sagt Bolden.

Neu ist die Vorgehensweise der EZB nicht. Die Notenbank folgt ein Stück weit dem Beispiel der japanischen Notenbank, die ebenfalls durch den Kauf von Unternehmensanleihen die Nachfrage aufgebläht hat.

Unternehmen profitieren durch die Bank von rekordtiefen Renditen bei Anleihen. Dagegen kommen Versicherer und Pensionsfonds durch die Kaufpolitik der EZB immer stärker unter Druck. Nachdem Staatsanleihen kaum noch Rendite abwerfen und zahlreiche Papiere bereits mit negativen Renditen gehandelt werden, sind jetzt auch die Renditen für Unternehmensanleihen mit einer vergleichsweise guten Kreditbewertung durch Ratingagenturen auf Talfahrt. Die Folge: Es wird zum Beispiel bei Lebensversicherungen immer schwieriger, den gesetzlich garantierten Mindestzinssatz zu erwirtschaften.

Kritiker werfen der EZB deshalb vor, die Notenbank dringe in immer mehr Märkte vor, in denen sie eigentlich nichts zu suchen hat. Allein die Tatsache, dass die Notenbank nur Anleihen von Firmen kaufen darf, die über eine kostspielige Kreditbewertung durch eine führende Ratingagentur verfügen, spielt den großen Unternehmen in die Hände. Zwar profitieren auch kleine Firmen indirekt durch das allgemein niedrigere Zinsniveau. Dennoch werden zunehmende Verzerrungen am Markt kritisiert.

Mit dem Kauf von Unternehmensanleihen durch die Notenbank »wird der nächste Markt kaputt gemacht«, sagt David Kohl, Deutschland-Chefvolkswirt der schweizerischen Bank Julius Bär. Zu den schärfsten Kritikern zählt der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, der die EZB-Käufe als »Akt der Verzweiflung« anprangert. dpa/nd