Die Kassen kleiner Vereine werden gern vom Finanzamt unter die Lupe genommen. Das weiß auch der Dorfverein von Ehmte, einem norddeutschen 900-Seelen-Kaff. »Von Misthaufen mal abgesehn - Ehmte du bist schön.«, heißt es in der Vereinshymne. Chaos bricht aus, als der Verein unverhofft zu Wohlstand kommt. Das Geld hat der Vorsitzende mit der mageren Vereinskasse im Casino »erwirtschaftet«. Aus vierhundert wurden schnell mal hunderttausend Euro. Wohin nun mit der Kohle? Schließlich darf die Gemeinnützigkeit nicht gefährdet werden.
Das neue Distel-Programm »Wer früher zockt ist länger reich« folgt den drei Vereinsvorsitzenden auf ihrer Suche, das Geld loszuwerden. Vorsitzender ist der hemdsärmlige Güllepumpenproduzent Millermann; wobei Michael Nitzel in dieser Rolle nicht ständig brüllen müsste. Zweiter im Bunde ist der pensionierte Lehrer Schmutzler (Edgar Harter), der dem gutbürgerlichen Bildungskanon nachtrauert und als Besserwisser nervt. Den Kassenwart macht der großflächig tätowierte Kneipenwirt Hacki (Matthias Felix Lauschus), in dessen rumpeligen Hinterzimmer der Verein tagt.
Der Kölner Regisseur Hans Kieseier hat einen schwungvollen und harmonischen Handlungsbogen entworfen; mit der Vereinssitzung als Rahmen und geschmeidig eingebauten Rückblenden. Die dreiköpfige Vereinsspitze bildet eine Art Olsenbande. Die kauzigen, sympathischen Provinzler stehen sich eher selbst im Weg, als dass sie an äußeren Widrigkeiten scheitern. Kriminelle Geldwäsche kommt für sie nicht in Betracht. Die drei sind ja so unbedarft, dass sie sogar ein Herz für Abgeordnete ohne Nebenbezüge haben. »Hätte Wowereit auch einen Nebenjob, wäre der Flughafen längst fertig«, ist sich der Güllepumpenproduzent sicher.
Wie aber lässt sich der Geldkoffer loswerden, ohne dass der Fiskus Wind bekommt? Der Kämmerer von Ehmte hat kein Interesse - bei Mehreinnahmen würden ihm ja Fördergelder entgehen. Auch im Asylheim hebt man die Hände. Soll Ehmte etwa zum Massenziel der Flüchtlinge werden, weil es hier neue Matratzen gibt?
Und so machen sich die drei Provinzler auf den Weg nach Berlin. Wenigstens als Parteispende wird man das Geld doch an den Mann bringen können. Ein Höhepunkt der Show ist es, wie sie mit bunten Strumpfhosen überm Kopf Wolfgang Schäuble in einer Autobahntoilette auflauern. Der Finanzminister versteht gar nicht, warum ihn überhaupt jemand schmieren will: »Wir machen doch sowieso Politik für die Reichen.«
Der bissige Schäuble wird von Michael Nitzel verkörpert. Auch die anderen beiden Darsteller beweisen größte Wandlungsfähigkeit, wenn sie in allerlei Nebenrollen schlüpfen. Matthias Felix Lauschus brilliert mit Sprachtalent. Schwäbisch, Rheinisch, Russisch - hat er alles drauf. Außerdem geleitet er das Publikum mit gefühlvollem Lagerfeuer-Blues in die Pause.
Danach sitzen die drei immer noch auf dem Geld. Da kann wohl nur noch »Mutti« helfen. Doch um zu Merkel vorzudringen, muss Millermann ein Casting bestehen. Seine Fragen werden allesamt als zu brisant abgetan, bis er Merkel schließlich um ein leckeres Rouladenrezept bitten darf.
Die geistreiche und kurzweilige Show spricht eine Vielzahl gesellschaftlicher Probleme an; vom Brexit über Bürokratie und Korruption bis hin zur Flüchtlingspolitik. Sie ist schärfer, anspruchsvoller und weniger klamaukhaft als die meisten Distel-Inszenierungen der letzten Jahre. Sogar Witze über Flüchtlinge erlaubt man sich, die aber natürlich die hiesige Stammtischmentalität aufs Korn nehmen. »Viele Deutsche würden auch übers Mittelmeer schippern, wenn sie dort problemlos ihre Alte loswerden könnten«, blödelt der Güllepumpenproduzent.
Das Herz der Distel-Macher schlägt links, wobei sämtliche Lager ihr Fett abbekommen. Die Marxisten beantragen Artenschutz. Der FDP-Vertreter hält Gedankenfreiheit für die Abwesenheit von Gedanken aller Art. Der Grünen-Abgeordnete zieht als schwäbelnder Kampfradler ins Plenum.
Was den Geldkoffer angeht, so kann keine Partei helfen. Der wird schließlich im Wannsee versenkt. Fest steht für die drei Abenteurer, dass es sich im schönen Ehmte ohne Million leichter lebt.
Ab 23.7., Kabarett-Theater Distel, Friedrichstraße 101, Mitte; www.distel-berlin.de[1]
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1019665.die-drei-von-der-guellepumpe.html