nd-aktuell.de / 08.08.2016 / Politik

Menschenrechtler: Indigene in Lateinamerika sterben

Schuld sei Raubbau am Land der Ureinwohner / Auch deutsche Unternehmen und Entwicklungsagenturen an Projekten beteiligt

Köln. Die Menschenrechtsorganisation Fian beklagt die systematische Verletzung der Rechte von Ureinwohnern in Lateinamerika. »Die indigene Bevölkerung Lateinamerikas stirbt einen langsamen, aber sicheren sozialen und kulturellen Tod«, erklärte die Lateinamerika-Referentin von Fian, Almudena Abascal, am Montag in Köln zum Internationalen Tag der indigenen Völker am 9. August. Dafür sei vor allem der fehlende Zugang zu Land verantwortlich.

Das Problem habe sich in den vergangenen Jahren deutlich verschärft, erklärte die Fian-Expertin Abascal. Gründe seien unter anderem der Raubbau der natürlichen Ressourcen und die Expansion von Agrarunternehmen. Vielerorts müssen die Territorien der Ureinwohner den Angaben zufolge landwirtschaftlichen Nutzflächen weichen, etwa für Soja-, Palmöl- und Zuckerrohr-Plantagen oder die Viehzucht. Gewaltsame Auseinandersetzungen bei Räumungen und die Kriminalisierung von indigenen Völkern seien an der Tagesordnung, hieß es weiter.

Als Beispiel nannte Fian den Konflikt um das Wasserkraftprojekt Barro Blanco in Panama, das mit Mitteln der deutschen Entwicklungsbank DEG mitfinanziert wird. Im Mai sei das indigene Volk der Ngabe-Buglé aus seinem traditionellen Land vertrieben worden, um mit der Flutung des Stausees zu beginnen. Durch den Bau drohe dem Volk die Überflutung ihrer Länder, Häuser sowie heiliger und kultureller Orte. Das Projekt steht seit Jahren in der Kritik, weil eine Umweltverträglichkeitsstudie nicht vorliegt und die Ureinwohner auch nicht in die Planung miteinbezogen wurden. Deshalb hatte die panamaische Regierung im vergangenen Jahr zunächst einen Baustopp verhängt.

Ein anderes Beispiel für die Zerstörung der traditionellen Lebensgrundlage ist die umstrittene Errichtung des Wasserkraftprojektes Agua Zarca in Honduras auf dem Territorium der indigenen Lenca. Neben mehreren internationalen Geldgebern war auch die deutsche Firma Voith Hydro, ein Joint-Venture mit Siemens, als Zulieferer beteiligt. Inzwischen habe man aber aufgrund des öffentlichen Drucks die Arbeit an dem Projekt vorerst eingestellt,[1] heißt es dort. Anfang März ermordeten Unbekannte die Generalkoordinatorin des »Zivilen Rates der Indigenen und Volksorganisationen« (COPINH) und scharfe Kritikerin des Staudammes, Berta Cáceres, in ihrem Haus. Drohungen seitens der Betreiberfirma gegenüber der Aktivistin hatten Medienberichten zufolge vor ihrem Tod drastisch zugenommen.

COPINH beklagte in der Öffentlichkeit die vermehrte Durchsetzung von »grünen« Entwicklungsprojekten in Lateinamerika. Beispielsweise werde in Honduras mit dem Programm »REDD+« versucht, einen Markt für Waldschutzzertifikate zu schaffen. Dadurch entstehe die Gefahr, dass Wälder privatisiert, Nutzungsrechte lokaler Gemeinden eingeschränkt oder Bewohner vertrieben werden. Beteiligt sind laut »amerika21«[2] unter anderem die UNO, die Weltbank, die Privatwirtschaft aber auch Entwicklungsagenturen wie die deutsche »Gesellschaft für Entwicklung und Zusammenarbeit« (GIZ).

COPINH warnte in einer Erlärung: »Die REDD-Projekte sind eine andere Form, unsere Gemeingüter der Natur zu privatisieren. Sie setzen einen Preis auf unsere Wälder. Die Projekte sind vergleichbar mit den genehmigten Bergbaukonzessionen, die dazu führen, die wirtschaftliche, ernährungsspezifische, politische, soziale und kulturelle Souveränität weiter einzuschränken.« seb mit Agenturen

Links:

  1. http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.umstrittenes-wasserkraftwerk-voith-hydro-legt-honduras-projekt-auf-eis.1758747f-e0d8-4bf0-ae30-a992a2bab4d6.html
  2. https://amerika21.de/analyse/117612/gruener-kolonialismus-honduras