Gigantomane

Surab Zereteli wird seinen Jesus in Sotschi nicht los

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 2 Min.

33 Meter Jesus Christus auf einem Sockel von 47 Metern Höhe sind offenbar zu viel - etwa ein 30-stöckiges Hochhaus. Sotschi lehnte das monumentale Angebot des georgischen Bildhauers Surab Zereteli am Dienstag ab. Den Koloss aus Bronze hätten die Architekten nicht gebilligt, teilte der Bürgermeister mit, sie seien auch vorher nicht gefragt worden. Im zuständigen Rat fiel mit 15 gegen drei Stimmen bei zwei Enthaltungen die Ablehnung unmissverständlich aus.

Schon zu den Olympischen Spielen in Sotschi hatte der 82-jährige Präsident der russischen Akademie der Künste und Mitglied mehrerer ausländischer Akademien sein Werk platzieren wollen. Das stieß nicht auf Beifall. Auch in Präsident Wladimir Putin, der hier in einer der Großmacht angemessen dimensionierten »Datscha« residiert, fand der Künstler wohl keinen Fürsprecher. Dessen Heimatstadt hatte abgewinkt, Bürger sammelten Unterschriften gegen das 80-Tonnen-Stück des nicht selten als gigantomanisch kritisierten Meisters.

Die Petersburger erinnern sich gut eines anderen monumentalen Werkes des mit Sowjet- und internationalen Orden aller Art dekorierten Georgiers mit russischem Pass. Als er der von Peter I. gegründeten Newa-Stadt ihren Gründer verehren wollte, winkte man das rund 20-Millionen-Dollar-Schiff mit Steuermann durch nach Moskau. Es strandete dort 1997 auf einer künstlichen Insel mitten in der Moskwa. Der Schöpfer leugnet bis heute hartnäckig, er habe das 100-Meter-Monument als Kolumbus zum 500. Jahrestag der Entdeckung Amerikas in den USA, Spanien und Südamerika nicht absetzen können.

Seine Friese und Wandbemalungen hingegen, Denkmale und Bauwerke finden sich in aller Welt. Im UNO-Hauptquartier kämpft sein Heiliger Georg mit dem Drachen, in Bayonne (New Jersey) mahnt eine Bronzestatue zum Kampf gegen den Weltterrorismus. In Sotschi hatte der Monumentalkünstler ein Einsehen und bot als Ersatz seine Bronzekomposition »Argonauten« mit einer Höhe von nur 23 Metern an. Die bekam ein Nein mehr als Jesus.

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