Das Amtsenthebungsverfahren gegen Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff hat zu hitzigen Debatten im Senat geführt. Entgegen der Planung wurde in der Nacht zum Mittwoch noch nicht abgestimmt. Da 66 der 81 Senatoren Redebeiträge angemeldet hatten, verschob der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs, Ricardo Lewandowski, der die Sitzung leitet, die entscheidende Abstimmung auf den Mittwochvormittag (Ortszeit). Bis Mitternacht hatten mehr als 40 Senatoren ihr Statement abgegeben.
Der Mitte-Links-Politikerin Rousseff werden illegale Haushaltstricks vorgeworfen. Sie soll am Kongress vorbei Kredite bewilligt und Zahlungen an staatliche Banken verzögert haben, um die angespannte Haushaltslage zu vertuschen.
Es galt als sicher, dass die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit für die Absetzung von Rousseff zustande kommt. In diesem Fall übernimmt der frühere Vizepräsident Michel Temer das höchste Staatsamt bis zum Ende der Wahlperiode im Dezember 2018. Aufgrund einer schweren Wirtschaftskrise und spektakulärer Korruptionsermittlungen war Rousseffs Beliebtheit zu Jahresbeginn in den einstelligen Prozentbereich gesunken. Ihre Mehrheit im Kongress büßte die Präsidentin im April ein, nachdem mehrere Koalitionspartner zur Opposition übergelaufen waren. Rousseffs Arbeiterpartei sieht in der Amtsenthebung eine Taktik, um vom Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras abzulenken, in den zahlreiche Politiker verwickelt sind.
In der entscheidenden Phase des Amtsenthebungsverfahrens hat die suspendierte Präsidentin Rousseff persönlich zu den Vorwürfen Stellung genommen. »Wie alle Menschen habe auch ich Fehler gemacht. Aber ich habe kein Verbrechen begangen«, erklärte Rousseff am Montag bei einer Anhörung in Senat. »Ich kämpfte um mein Amt nicht aus Eitelkeit, sondern um Demokratie und Gerechtigkeit zu verteidigen«, sagte Rousseff. Ihren Gegnern warf sie vor, in einem fragwürdigen Prozess den Wählerwillen zu hintergehen. »Beweise für mein Fehlverhalten wurden nicht vorgelegt«, sagte sie. Unter Vorwänden werde sie des Amtes enthoben, um eine andere, konservative Politik durchzusetzen. »Es ist ein Verfassungsbruch, ein Putsch«, betonte Rousseff vor dem Senat.
Die 68-Jährige ist seit 2011 im Amt und wurde 2014 mit knapper Mehrheit wiedergewählt. Der Mitte-Links-Politikerin, die seit Mai von ihrem Amt suspendiert ist, werden illegale Haushaltstricks vorgeworfen. Sie soll am Kongress vorbei Kredite bewilligt und Zahlungen an staatliche Banken verzögert haben, um die angespannte Haushaltslage zu vertuschen.
Bis zum Samstag wurden vor dem Senat Zeugen verhört und Plädoyers gehalten. Es kam zu mehreren heftigen Wortgefechten zwischen Gegnern und Befürwortern der Amtsenthebung. Seit Montagmorgen ist das Kongressgebäude in Erwartung von Demonstrationen beider Seiten weiträumig abgesperrt. Spätestens am Mittwoch wird der Senatsbeschluss über ihre Amtsenthebung erwartet.
Für Rousseffs Absetzung ist eine Zweidrittelmehrheit der 81 Senatoren notwendig. Stimmen also mindestens 54 Senatoren gegen Rousseff, übernimmt ihr früherer Vizepräsident und derzeitige Übergangspräsident Michel Temer das höchste Staatsamt bis zum Ende der Wahlperiode im Dezember 2018. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass eine qualifizierte Mehrheit Rousseff für schuldig befinden wird.
In Brasiliens Geschichte hatte es so ein Verfahren erst einmal gegeben. Wie Rousseff wurde 1992 Fernando Collor de Mello suspendiert. Ihm wurde Korruption zur Last gelegt. Collor de Mello trat aber vor dem Senatsvotum zurück. epd/nd
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1023965.temer-scharrt-mit-den-hufen.html