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Neigung zum Einschüchtern

Stadtrat verdonnert niedersächsischen Bürgermeister zu Personalführungsseminar

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

Die 30 000-Einwohner-Stadt Northeim in Südniedersachsen hat kein Glück mit ihren Bürgermeistern. Nachdem der von einem Abwahlverfahren bedrohte SPD-Mann Harald Kühle 2013 freiwillig aus dem Amt schied, wird nun sein parteiloser Nachfolger Hans-Erich Tannhäuser von Stadtrat und Verwaltung mächtig unter Druck gesetzt. Das Kommunalparlament forderte den Verwaltungschef auf, Seminare in Personalführung zu besuchen. Es verlangt zudem, dass der Landkreis Northeim als Kommunalaufsicht ein Disziplinarverfahren gegen Tannhäuser einleitet. Sollte der Kreis zum Ergebnis kommen, dass er disziplinarrechtlich nicht einschreiten muss, sprach der Stadtrat dem Bürgermeister schon mal vorsorglich eine Rüge wegen seines Verhaltens gegenüber seinen Mitarbeitern aus.

Dem ungewöhnlichen Ratsbeschluss, der einstimmig in nicht-öffentlicher Sitzung erfolgte, war massive Kritik am Führungsstil Tannhäusers vorausgegangen. Unterstützt von der FDP und zwei Wählergemeinschaften, hatte sich der heute 56-Jährige bei der Wahl im September 2013 überraschend gegen den von SPD, CDU und Grünen gestützten Gegenkandidaten durchgesetzt. Tannhäuser ist gelernter Ingenieur, er wirkte unter anderem beim Aufbau des ersten deutschen Bioenergiedorfes Jühnde im Kreis Göttingen mit.

Nachdem sich Beschwerden von Angestellten der Stadtverwaltung über den Umgang Tannhäusers mit seinen Untergebenen häuften, knöpfte sich im März dieses Jahres zunächst die CDU den Bürgermeister vor. Neben seinen Schwächen in der Mitarbeiterführung kritisierten die Christdemokraten unter anderem, dass der Verwaltungschef Ratsbeschlüsse nicht umgesetzt habe. Außerdem soll er den Rat bei der Vorauswahl von Bewerbern für den Posten des städtischen Bauamtsleiters vorsätzlich falsch informiert haben.

In seinem jetzt gefassten Beschluss stützte sich der Rat auf Stellungnahmen des Personalrates der Stadtverwaltung und des Betriebsarztes. Der Mediziner erklärte, dass seit Mitte 2014 insgesamt 17 Mitarbeiter der Verwaltung wegen des Führungsstils des Bürgermeisters zu Beratungen bei ihm gewesen seien. Im Schreiben des Personalrates, aus dem die »Northeimer Neuesten Nachrichten« nun zitierten, heißt es: »Über den sogenannten Flurfunk haben wir erfahren, dass insbesondere der Führungsstil des Bürgermeisters, der dazu neigt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht seiner Meinung sind, lautstark einzuschüchtern, mit ursächlich für die Mitarbeiter-Unzufriedenheit ist.«

Tannhäuser will sich »wegen des laufenden Verfahrens« derzeit nicht zum Ratsbeschluss und den Vorwürfen äußern. Der Stadtratsvorsitzende Wolfgang Haendel betonte unteressen, dem Kommunalparlament gehe es mit seinen Beschlüssen nicht darum, Tannhäuser aus dem Amt zu drängen. Man hoffe vielmehr, dass künftig ein »gedeihliches Miteinander« möglich werde.

Gegen Tannhäusers Vorgänger Harald Kühle hatte der Rat ein Abwahlverfahren beschlossen. Anlass war eine Beförderungsaffäre im Rathaus. Der Stadtkämmerer war auf Kühles Vorschlag zum Städtischen Oberrat und in eine höhere Gehaltsgruppe befördert worden, obwohl ihm dafür Qualifikationen fehlen sollten. Gegenüber dem Verwaltungsausschuss, der die Höherstufung abgesegnet hatte, soll Kühle wahrheitswidrig behauptet haben, dass die Beförderung mit dem für die Lokalaufsicht zuständigen Landkreis Northeim abgestimmt sei. Die FDP hatte Kühle zudem vorgeworfen, städtische Gelder veruntreut zu haben. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen in der Sache wurden jedoch eingestellt.

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