Allein zu schwach

Degrowth-Bewegung versucht Vernetzung mit Klimaaktivisten und Gewerkschaften

  • Max Zeising, Budapest
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Politik liegen Anspruch und Wirklichkeit nicht selten weit auseinander - insbesondere, wenn es um das Thema Klimagerechtigkeit geht. Auf der einen Seite wurden in der Vergangenheit zahlreiche internationale Abkommen beschlossen, um den CO2-Ausstoß zu senken und die massive Erderwärmung zu begrenzen. Zuletzt im Dezember 2015 beim UN-Gipfel in Paris ein neuer Weltklimaschutzvertrag. Auf der anderen Seite hapert es an der Umsetzung dieser Abkommen - der scheinbar gute Wille einiger Staaten reicht offenbar nicht aus, um die gesamte Weltgemeinschaft zum Umdenken zu bewegen.

Was muss also passieren, um die hohe Hürde der Umsetzung endlich zu überwinden? Eine Möglichkeit ist: Druck von unten. An dieser Stelle könnte die Postwachstumsbewegung ins Spiel kommen. Bei der internationalen Degrowth-Konferenz, die am Sonnabend in Budapest zu Ende ging, stand im Zentrum die Frage, wie der Klimawandel noch gestoppt werden kann. Der Ansatz: Die Wirtschaft muss schrumpfen, die industrielle Produktion muss eingedämmt werden, die Menschheit darf in Zukunft nicht mehr so viel konsumieren.

Aber kann diese Konferenz einer wachsenden, aber zahlenmäßig immer noch überschaubaren Aktivistengruppe tatsächlich etwas auf der internationalen politischen Bühne verändern? »Seit der Leipziger Konferenz 2014 gibt es seitens der Degrowth-Bewegung große Anstrengungen, in die Auseinandersetzungen um Klima und Kohleausstieg hineinzugehen«, sagte der Sozialhistoriker Matthias Schmelzer, der in Budapest auf einem Podium zum Thema »Ist Klimagerechtigkeit möglich ohne Degrowth?« als Redner auftrat. Er erinnerte an die Sommerschulen in den letzten Jahren im Rahmen der Klimacamps im Rheinland.

Eine Vernetzung von Degrowth-Anhängern mit Klimaaktivisten gibt es also bereits. Laut Schmelzer setzt sich die Postwachstumsbewegung auch längst mit anderen politischen Bewegungen auseinander. Auf deren Internetseite finden sich zahlreiche Überlegungen, mit welchen Gruppen Synergien möglich sind und mit welchen nicht. »Ohne die Gewerkschaften als gesellschaftspolitischen Akteur ist eine sozial-ökologische Transformation nicht durchsetzbar«, heißt es in einem Beitrag. »Gleichzeitig bleibt umkämpft, wie der ökologische Umbau konkret stattfinden soll.«

Was auf der Konferenz auch auffällig war: Die Identität der Bewegung ist nach wie vor schwammig. Viele verstehen unter Degrowth etwas anderes. Ein Teilnehmer wünschte sich »einen offenen Thinktank«. Andere hoben die Bedeutung der persönlichen Konsumveränderung hervor. Wiederum andere betonten, Degrowth müsse stärker auf der aktivistischen Ebene tätig werden. Eine Teilnehmerin sagte, sie würde gern »die Politiker einladen, damit sie unsere Ideen kennenlernen«. Eine andere sagte: »Ich bin ohne Plan hierher gegangen und möchte mich inspirieren lassen.«

Inspiration wird freilich nicht reichen, um die herrschenden Verhältnisse in der Klimapolitik umzuwälzen oder wenigstens die Politiker zum Umdenken zu bewegen. Dazu braucht es schon einen konkreten Plan. Wobei Matthias Schmelzer anmerkt: »Wichtig ist eine Vielzahl von Taktiken. Wir brauchen den direkten Kontakt zu den Parlamentariern, die wissenschaftliche Diskussion und den zivilen Ungehorsam.«

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