Zika-Alarm in Singapur

Auch im reichen Stadtstaat tragen nun Mücken das Virus weiter

  • Michael Lenz
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Kinder in Singapur haben sich auf die einwöchigen Herbstferien in dieser Woche gefreut. Draußen spielen und toben, ab ins Freibad oder an einen der wenigen Strände des Inselstaates. Daraus wird nichts. Schuld ist ein kleiner Moskito, der den Zika-Virus überträgt. Aus Angst vor einer Zika-Virus-Infektion lassen viele Eltern ihre Kinder nicht im Freien spielen, obwohl das Virus wohl nur für schwangere Frauen gefährlich ist. »Ich gehe kein Risiko ein«, sagt Loraine Chang. »Meine beiden Söhne bleiben drin.«

Bereits 242 Fälle von Zika-Infektionen haben die Gesundheitsbehörden seit dem 27. August registriert. Noch sind die Infektionsherde auf wenige Stadtviertel begrenzt. Aber die Angst vor einer Ausbreitung in der Sechs-Millionen-Einwohner-Metropole ist groß.

Die kleine Nation ist vereint im »totalen« Krieg gegen die Moskitos. Draußen beschießen Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden mit Qualmkanonen potenzielle Nist- und Brutplätze des Moskitos. Kein Tümpel, und sei er noch so klein, kein Strauch, kein Blumentopf ist vor dem Gasangriff sicher.

Drinnen versprühen Hausfrauen wie Loraine Chang Moskitospray. Vorausgesetzt, der Supermarkt um die Ecke hat überhaupt noch das Gift in den Regalen. Seit Ende August hat sich der Absatz von Moskitosprays verdreifacht. Die Supermarktketten versichern zwar, der Nachschub sei gesichert und die Zikakrise werde nicht für Preiserhöhungen missbraucht. Trotzdem kommt es zu Hamsterkäufen. Sicher ist sicher.

Die Angst der Menschen vor einer Epidemie wurde am vergangenen Samstag durch ein Eingeständnis der Gesundheitsbehörden verstärkt: Das in Singapur verbreitete Virus ist eine südostasiatische Variante und wurde nicht, wie zunächst vermutet, aus dem Zika-Hotspot Brasilien in den Stadtstaat eingeschleppt. »Die Untersuchungen haben ergeben, dass das Virus zu einer asiatischen Linie gehört und vermutlich aus einem Strang entstanden ist, der schon lange in Südostasien zirkuliert«, hieß es in der Erklärung des Gesundheitsministeriums.

Wenig beruhigend auch die Warnung von Gesundheitsministerin Amy Khor, ihre Landsleute müssten sich auf ein Leben mit dem Virus einstellen. Fälle von Zika-Infektionen würden in Zukunft Dank der »Präsenz von Aedes-Moskitos« und der hohen Bevölkerungsdichte in Singapur »wie Dengue« immer mal wieder auftreten, sagte Ministerin Khor. In der Tat hat Singapur trotz aller Präventionsmaßnahmen auch immer wieder mit Ausbrüchen von Dengue-Infektionen zu kämpfen.

Das Zika-Virus ist ein Verwandter des Erregers von Dengue und Chikungunya. Alle drei Viren werden von der Moskito-Art Aedes aegypti übertragen. Symptome einer Infektion sind leichtes Fieber, Ausschlag und rote Augen. Bei schwangeren Frauen aber kann das Virus Mikrozephalien bei Föten verursachen. Dabei kommt es zu Schädelfehlbildungen. Die Gehirne bleiben in der Folge zu klein und das kann zu geistigen Behinderungen führen. Experten vermuten inzwischen auch, bei Erwachsen könne das Virus neurologische Probleme verursachen. Bei 80 Prozent der Betroffenen verläuft eine Infektion jedoch symptomlos.

Für den Ruf Singapurs als beliebtes Touristenziel und als asiatisches Finanzzentrum ist der Zika-Virus-Ausbruch verheerend, auch wenn die Chancen einer Infektion gering sind und Behörden, Unternehmen, Hotels sehr großzügig Antimoskitogifte versprühen. Schon haben erste Länder Reisewarnungen ausgesprochen. Da ist es für Singapur nur ein schwacher Trost, dass Zika-Fälle inzwischen auch aus Kambodscha, Laos, den Philippinen, Indonesien, Thailand und Vietnam gemeldet werden.

Das Fremdenverkehrsamt, dem noch der Schock der SARS-Epidemie vor einigen Jahren in den Knochen steckt, versucht verzweifelt eine Infektion des Wirtschaftssektors Tourismus zu verhindern. Die Weltgesundheitsorganisation habe noch keine Reisewarnung ausgesprochen, hieß es am Montag dieser Woche auf der Webseite des Singapore Tourism Board (STB). Die Gesundheitsbehörden würden alles tun, die Verbreitung des Moskitos zu stoppen. Bevölkerung und Besucher würden auf der eigens eingerichteten Webseite des Ministeriums über aktuelle Entwicklungen und Vorsichtsmaßnahmen informiert. »Singapur bleibt ein sicheres Reiseziel und das Wohlbefinden und die Gesundheit unserer Besucher bleibt unsere Top-Priorität«, heißt es. Die gute Nachricht für Singapurbesucher: die Hotelpreise sind seit dem Zika-Ausbruch leicht gesunken.

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