nd-aktuell.de / 08.09.2016 / Kommentare

Die gefährlichste Partei in diesem Land

Deutschnational, ethnisierend, praktisch der Regierungsflügel der AfD: Tom Strohschneider über den neuesten Vorstoß der Seehofer-Partei

Die CSU ist die derzeit gefährlichste Partei in diesem Land. Nein, hier sind nicht mögliche Folgen für Angela Merkel und die »Macht« der Union gemeint, über die politische Kommentatoren so gern nachdenken. Es geht auch nicht um die Kanzlerkandidatur oder den Zusammenhalt der Schwesterparteien. Es geht um grundlegende Maßstäbe des Politischen und die roten Haltelinien einer demokratischen Auseinandersetzung. Die CSU ist eine Art politischer Aggregator geworden, der immer weiter rechts stehende Forderungen, Redeweisen und Denkfiguren in so etwas wie »Normalität« transformiert und diese dadurch verändert. Mag sein, dass auch Teile der Union und anderer Parteien dabei mitwirken, aber die Hauptkraft ist die CSU.

Mit ihrem jüngsten Vorstoß zu einer abermaligen Aushöhlung nicht nur des Asylrechts, sondern überhaupt des Grundgesetzes und des Selbstverständnisses dieser Gesellschaft zeigt sich das besonders deutlich. Die bayerischen Rechten transformieren nicht nur rechtspopulistische Positionen wie die nach einem Burka-Verbot ins Zentrum der demokratischen Parteienlandschaft, sie stellen auch die Reste des Asylgrundrechts in Frage, sie ethnisieren und kulturalisieren die Frage des Schutzes von Kriegsgeflüchteten, sie machen Politik am Rande eines nationalistisch-völkischen Selbstverständnisses.

Und sie sind damit so etwas wie der Regierungsarm der AfD geworden. Was vor einigen Jahren noch auf NPD-Plakaten zu lesen war und vielleicht noch in den Stahlhelm-Kreisen der Union debattiert wurde, rückt nun ins Zentrum einer Großen Koalition. Die CDU lässt sich treiben. Die SPD rennt hinterher. Aus dem besänftigenden Versprechen Angela Merkels, »Deutschland wird Deutschland« bleiben, das man als Weiterentwicklung ihres »Wir schaffen das« interpretieren konnte - wenn es auch eine Weiterentwicklung unter dem Einfluss des wachsenden Drucks von Rechts ist -, wird bei der CSU die Parole »Deutschland muss Deutschland« bleiben. Das ist die Rhetorik, von der sich die Brandstifter legitimiert fühlen.

Einmal abgesehen von Forderungen wie der nach einem Ende der doppelten Staatsbürgerschaft, mit der die CSU über vier Millionen Menschen in Deutschland unter den Verdacht stellt, sich irgendwie nicht hinreichend »deutsch« zu betragen, abgesehen von Vorurteilsbefeuerungsmaschinen wie dem Burka-Verbot, abgesehen von der Frage der Obergrenze, die ein bereits ausgehöhltes Asylrecht weiter beschädigen würde, abgesehen von all dem zeigt die CSU in ihrem Papier auch, wie irrational das Denken hinter ihrem AfD-Ähnlichkeitswettbewerb ist.

»Wir sind dagegen«, wird aus dem Papier des Vorstandes zitiert, »dass sich unser weltoffenes Land durch Zuwanderung oder Flüchtlingsströme verändert.« Das ist nicht nur widersprüchlich, weil zur Weltoffenheit eben auch die Zuwanderung gehört. Das ist nicht nur gegen die seit Jahren lebendige Realität einer Einwanderungsgesellschaft gerichtet, die den Normalzustand in einer globalisierten Ökonomie bildet. Es ist auch der Versuch, mittels einer Neuformulierung den Begriff der Weltoffenheit kompatibel mit der rechtspopulistischen Sehnsucht nach nationaler Abschottung, nach einer »Welt jenseits des Globalismus« zu machen, jenem neuen Schlagwort der Rechtspopulisten von Trump bis Orban.

Selbstverständlich verändert Migration die Gesellschaften - und das ist gut so. Doch die CSU will nicht erst seit gestern das regierungsamtliche Bollwerk dagegen sein. Sie ist der verlängerte Arm der AfD in der Koalition. Sie ist es, die die Rechtsaußen-Truppe stark macht, indem sie die Rhetorik der Abschottung, der Ausgrenzung zum Sound einer Regierung gemacht hat, die sich dagegen nicht mehr zur Wehr zu setzen vermag. CDU und SPD haben sich vergeblich darin versucht, durch Übernahme dieser letzten Endes auch gewaltgeladenen, deutschnationalen, irrationalen Forderungen etwas auszurichten. Sie sind damit ebenso gescheitert wie es der gesellschaftlichen Linken nicht gelungen ist, die enge politische Wechselbeziehung zwischen den Seehofer-Rechtspopulisten und der AfD wirksam zu demaskieren oder zu stören.

Die CSU ist derzeit der Motor der Rechtswende in diesem Land. Die AfD liefert den Treibstoff. Die Sache kann ganz schnell und schlimmer als man es in den vergangenen Monaten schon gesehen hat hochgehen. Es ist brandgefährlich. Und es ist längst der Punkt erreicht, an dem die SPD ihre Glaubwürdigkeit nicht mehr durch Taktieren und wechselnde Parolen retten wird können. Sie müsste diese Koalition verlassen. Aus sozialdemokratischem Selbstanspruch heraus. Dieser jüngste Vorstoß der CSU ist der Prüfstein, an dem die Partei des Geflüchteten Willy Brandt sich messen lassen muss.