nd-aktuell.de / 08.09.2016 / Kultur

Wo deutsche Medien versagt haben

Studie zur Berichterstattung über Griechenland vorgelegt

Eva Roth

Die griechische Linksregierung unter Alexis Tsipras ist im vergangenen Jahr angetreten, um eine andere Wirtschafts- und Sozialpolitik umzusetzen und weitere Einschnitte für Bürger mit geringen Einkünften zu vermeiden. Doch ihre europäischen Gläubiger haben die SYRIA-geführte Regierung genötigt, die bisherige Sparpolitik im Wesentlichen fortzusetzen. Insbesondere die mächtige deutsche Bundesregierung nahm eine harte Haltung ein. Und die deutschen Medien haben in dem Konflikt eine unrühmliche Rolle gespielt. Das zeigt die Studie »Die Griechen provozieren!« der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung, die an diesem Donnerstag veröffentlicht wurde.

Kim Otto, Professor für Wirtschaftsjournalismus, und sein Team von der Universität Würzburg analysierten für die Studie sämtliche Sendungen von »Tagesschau« und »heute« im vergangenen Jahr sowie deren Sondersendungen »Brennpunkt« und »ZDF spezial« zur griechischen Staatsschuldenkrise. Das Ergebnis fasst die Stiftung so zusammen: »Bei der Berichterstattung über die griechische Staatsschuldenkrise im Jahr 2015 haben die Nachrichtensendungen von ARD und ZDF zentrale Qualitätskriterien verletzt.«

So wurde die griechische Regierung in rund zwölf Prozent der Beiträge durch Journalisten negativ bewertet. Die Bundesregierung wurde insgesamt viel seltener bewertet, und nur in zwei Prozent der Beiträge negativ. Die Regierung in Athen kam zudem seltener zu Wort als die Bundesregierung. »Insgesamt war die Berichterstattung unausgewogen«, bilanzieren die Forscher.

Kim Otto und Andreas Köhler hatten bereits im Frühjahr 2016 eine Studie über die Griechenland-Berichterstattung in Tageszeitungen sowie auf der Internet-Plattform »Spiegel Online« vorgelegt. Dabei kamen sie zu einem ähnlichen Ergebnis: »Es zeigt sich, dass die Berichterstattung zur griechischen Staatsschuldenkrise sehr stark regierungsgeprägt, mehrheitlich meinungsorientiert und wertend ist«, so die Forscher. Die deutsche Regierung werde in den Artikeln viel weniger gewertet als die griechische. Zudem würden erheblich häufiger Aussagen über die griechische Regierung gemacht, als dass diese zu Wort kommt.

Die im Frühjahr veröffentlichte Analyse umfasst den Zeitraum von der Formierung der griechischen Regierung unter Alexis Tsipras im Januar 2015 bis zum Auslaufen der zweiten Runde der Notkredite Ende Juni 2015. Insgesamt wurden 1442 Artikel der Tageszeitungen »Die Welt«, »Bild«, »Frankfurter Allgemeine Zeitung«, »Süddeutsche Zeitung« und »Die Tageszeitung« sowie der Onlineplattform »Spiegel Online« ausgewertet. In Auftrag gegeben hatte die Studie die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung.