Der Welt ihre Grenzen aufgezeigt

Internationaler Thinktank traf den Zeitgeist

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Er ist ein echter 68er, der Club of Rome, aber nicht etwa ein Produkt der kämpferischen Studentenbewegung, sondern des nachdenklichen Teils des Establishments. Der italienische Indus-triemanager Aurelio Peccei und der schottische OECD-Wissenschaftsdirektor Alexander King riefen in jenem Jahr in Italiens Hauptstadt einen Thinktank ins Leben, der sich interdisziplinär, international und interkulturell mit den Zukunftsfragen der Menschheit befassen sowie alternative Szenarien mit konkreten Handlungsoptionen entwerfen sollte.

Der erste Bericht an den Club of Rome (»Die Grenzen des Wachstums«), verfasst 1972 von einem Autorenteam um Dennis und Donella Meadows, hatte eine klare Botschaft: »Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.« Die Folge wäre ein »nicht aufhaltbares Absinken der Bevölkerungszahl und der industriellen Kapazität«. Es brauche sofortige Gegenmaßnahmen, um die »Wachstumstendenz« zu ändern und einen »ökologischen und wirtschaftlichen Gleichgewichtszustand« herbeizuführen.

Das weltweit rezipierte Bändchen war gesellschaftlich folgenreich wie kaum eine andere Publikation in der Nachkriegszeit. Die Botschaft, »wenn wir so weitermachen, führt dies in die Katastrophe«, gab den diffusen Krisenstimmungen und der Kritik an der Konsumgesellschaft zu dieser Zeit im Westen eine quasi wissenschaftliche Basis. Die Thesen waren prägend beim Entstehen der neuen Umweltbewegung wie deren politischen Flügel, der Grünen-Parteien. In Politik und Wirtschaftswissenschaft beschleunigte das Buch die Abkehr von der Tonnen-Ideologie und die Einsicht, dass es mehr um Technologieentwicklung und qualitatives Wachstum gehen müsse.

Manche Thesen wurden indes aber schon in den 1970ern kritisiert und klingen heute fast befremdlich: So wird hohes Bevölkerungswachstum in armen Ländern als Ursache, nicht als Folge wirtschaftlicher Probleme angesehen. Auch legt das Buch autoritäre Lösungen nahe. Und das verwendete kybernetische Modell mit computergestützter Verarbeitung harter Daten ergab zu starre Szenarien, die der Vielzahl an möglichen Variablen nicht gerecht wurden. Viele Voraussagen erfüllten sich nicht.

Dennoch: Das Buch blieb langfristig ein Topseller - 30 Millionen Exemplare in 30 Sprachen wurden insgesamt verkauft. Es war aber auch ein Kind seiner Zeit - der Club of Rome konnte bis heute trotz fast 40 weiterer Berichte keine ähnliche Relevanz mehr erlangen. Und eine Erkenntnis des Berichts, dass hohes Wachstum Probleme nicht etwa löst, sondern auf Dauer eher verschärft, blieb bis heute politisch folgenlos. Kurt Stenger

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