Galgenfrist für das »Mercure«

Stadtverordnetenversammlung bremst das Bürgerbegehren »Potsdams Mitte neu denken« aus

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 2 Min.

An die 14 700 Potsdamer hatten sich mit ihrer Unterschrift dafür eingesetzt, die geplante Neugestaltung des historischen Stadtzentrums im Umfeld des Landtages nochmals zu überdenken. Im Kern ging es darum, prägende Bauten aus DDR-Zeiten wie das Gebäude der Fachhochschule, das Staudenhof-Wohnensemble und das »Mercure«-Hotel zu erhalten. Das von ihnen unterstützte Bürgerbegehren der städtischen Initiative »Potsdamer Mitte neu denken« wurde jedoch am Mittwochabend im Stadtparlament zu Fall gebracht.

Einem Antrag von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) folgend, wies die Stadtverordnetenversammlung das Bürgerbegehren mit einer Mehrheit von 31 zu 15 Stimmen als rechtlich unzulässig zurück. In einer Erklärung warf Jakobs den Initiatoren des Begehrens, das unter dem Motto »Kein Ausverkauf der Potsdamer Mitte« um Unterstützer geworben hatte, vor, sie hätten die Bürger in die Irre geführt. »Ihnen wird suggeriert, dass mit einer Verfolgung der im Begehren vorgeschlagenen Punkte ein Erhalt des Fachhochschulgebäudes, des Staudenhofes oder des Mercure erreicht werden kann, wie es die Begründung des Begehrens vorsieht«, heißt es da. »Tatsächlich führt weder ein Veräußerungsverbot noch ein Verzicht auf den Einsatz von Fördermitteln für den Abriss der Gebäude zwangsläufig dazu, dass diese Gebäude stehen bleiben und weiter genutzt werden.« Es sei wichtig gewesen, dazu einen von einer breiten Mehrheit der Stadtverordneten getragenen Konsens zu finden, so der Oberbürgermeister.

Ungeachtet der Ablehnung des Kernanliegens der Initiative signalisierte die Stadtverwaltung hinsichtlich der Forderung, zusätzliche öffentliche Nutzungen in der Stadtmitte anzusiedeln, Gesprächsbereitschaft. So wolle man die Ansiedlung von Infrastruktureinrichtungen in zwei der DDR-Wohnbauten prüfen. Zumindest eine Galgenfrist erhält das »Mercure«-Hotel. Die Stadt wolle »alle Bemühungen zum Erwerb des Mercure mit dem Ziel des Abrisses des Hotelgebäudes« einstellen. Politiker wie die LINKE-Landtagsabgeordnete Anita Tack hatten die Stadt im Vorfeld davor gewarnt, für den Abriss dieses funktionierenden Gebäudes öffentliche Mittel zu verwenden. Die Diskussion um die Zukunft des »Mercure« wurde jetzt nur verschoben.

LINKE-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg hat das Vorgehen der Rathausspitze scharf kritisiert. »Es war von vorn herein das Ziel der rechtlichen Prüfung, die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens festzustellen«, monierte er. »Bei wohlwollender Betrachtung hätte man auch zu dem Ergebnis kommen können, dass das Begehren rechtlich zulässig ist.«

Die Initiative »Potsdamer Mitte neu denken« will den Beschluss des Stadtparlaments vor dem Verwaltungsgericht anfechten. »Wir haben ein Gutachten des renommierten Potsdamer Verwaltungsrechtlers Christian W. Otto, dass unser Bürgerbegehren allen formalen und rechtlichen Vorgaben entspricht«, sagte Sprecher André Tomczak. mit dpa

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