Union und SPD suchen gemeinsamen Gauck-Nachfolger

Merkel, Gabriel und Seehofer laut Bericht einig / Kahrs für Steinmeier als Bundespräsidenten / Riexinger: Rot-rot-grüne Kandidatin weiterhin möglich

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Mancher hatte sich von der Bundespräsidentenwahl ein Signal für einen Regierungswechsel erhofft - nun sieht es so aus, als werde es ein solches nicht geben: Union und SPD wollen offenbar einen gemeinsamen Kandidaten für die Nachfolge von Joachim Gauck suchen. Darauf hätten sich Bundeskanzlerin Merkel, der SPD-Vorsitzende Gabriel und CSU-Chef Seehofer verständigt, berichtet »Der Spiegel«. Nach Angaben des Blattes hat ein erster Wunschkandidat der Koalition, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, aus privaten Gründen abgelehnt. Gauck hatte im Juni erklärt, dass er nicht für eine zweite Amtszeit kandidieren werde.

Der SPD-Politiker Johannes Kahrs, Chef des konservativen Seeheimer Kreises seiner Partei, hat sich derweil für Außenminister Frank-Walter Steinmeier als nächsten Bundespräsidenten ausgesprochen. »Frau Merkel und die Union sollten über ihren Schatten springen, und sich mit uns für eine Nominierung Steinmeiers stark machen«, sagte er der »Welt«. Bei der Wahl gehe »es nicht um Parteiinteressen, sondern um den Besten fürs Land«. Steinmeier sei »politisch erfahren, weltweit vernetzt und sehr beliebt«, so Kahrs.

Dagegen sieht Linkenchef Bernd Riexinger einen rot-rot-grünen Kandidat für die Nachfolge von Gauck weiterhin als möglich an. Er wies gegenüber dem »Handelsblatt« den Eindruck zurück, dass die Bemühungen des linken Lagers gescheitert seien, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen. »Die Landtagswahlen sind vorbei, gerade jetzt müsste wieder Bewegung in die Sache kommen«, sagte er. Der Nachfolger oder die Nachfolgerin Gaucks müsste für soziale Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden stehen. »Ob mit oder ohne Parteibuch, das ist zweitrangig.«

Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei rät hingegen von einem rot-rot-grünen Kandidaten ab. »Wir brauchen in Zeiten, in denen die AfD von Sieg zu Sieg eilt, einen Kandidaten, der weit über jedes Spektrum hinaus Akzeptanz findet«, sagte Ramelow dem »Spiegel«. Gesucht werde eine »kluge, weltoffene, moderne und konservative Persönlichkeit«. Auch Ex-Linksfraktionschef Gregor Gysi hatte sich für einen gemeinsamen Kandidaten von SPD, Linkspartei und Grünen ausgesprochen.

Der Nachfolger von Gauck wird am 12. Februar 2017 von der Bundesversammlung gewählt. Das Gremium setzt sich aus den derzeit 630 Bundestagsabgeordneten zusammen sowie aus ebenso vielen Delegierten, die die Parlamente der Bundesländer entsenden. Unter den 1.260 Mitgliedern verfügen SPD, Grüne und Linke über zusammen voraussichtlich 625 bis 628 Stimmen. Im dritten Wahlgang genügt die einfache Mehrheit.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grüne hat unterdessen Spekulationen um Ambitionen auf das Amt des Bundespräsidenten dementiert: »Ich strebe dieses Amt nicht an«, sagte er der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Er galt seit einem längeren vertraulichen Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel als möglicher Nachfolger für Gauck. Man sollte »nicht dauernd nach Höherem streben«, sagte Kretschmann. »Wenn man nach höheren Ämtern strebt, kriegt man sie meistens nicht. Und wenn man sie kriegt, wird oft nichts draus.« nd/Agenturen

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