»Schöner kann es mir nicht gehen«

Düsseldorfer Landgericht weist Räumungsklage gegen Raucher Adolfs zurück

  • Frank Christiansen, Düsseldorf
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Finger zum Victoryzeichen gespreizt, in der anderen Hand eine dicke Siegeszigarre. Raucher Friedhelm Adolfs hat es nach mehr als drei Jahren Prozessdauer doch noch geschafft. Der 78-Jährige darf in seiner Wohnung bleiben - die fristlose Kündigung seiner Vermieterin ist praktisch vom Tisch. Das Düsseldorfer Landgericht weist ihre Klage wegen seines Rauchverhaltens, das für die Nachbarn unzumutbar sei, am Mittwoch ab und lässt keine Revision zu (Az.: 23 S 18/15). Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig, dass der Bundesgerichtshof den Fall aber noch einmal auf den Kopf stellt, gilt nach den Hinweisen der Bundesrichter als extrem unwahrscheinlich.

Blitzlichtgewitter, Umarmungen und Schulterklopfen vor Saal 2.119. »Die Erleichterung ist sehr groß«, bekennt der schmächtige Rentner, der sich für den Termin in Schale geworfen hat: Nadelstreifenanzug, Krawatte und blaues Hemd. »Ich brauche jetzt nicht von heute auf morgen raus, das ist schon mal gut. Einmal musste es ja zum Schluss kommen.« Als die Anspannung von ihm abfällt, ist Adolfs sichtbar den Tränen nahe: »Schöner kann es mir gar nicht gehen.«

Nach der Anhörung von 13 Zeugen in der vom Bundesgerichtshof angeordneten Beweisaufnahme hatten sich die dunklen Wolken über dem 78-Jährigen bereits gelichtet. Den zuvor siegreichen Anwältinnen der Vermieterin schwammen bei der Neuauflage des Falls die Felle davon. Die von Adolfs aufgebotenen Zeugen teilten unisono mit, nichts von üblen Rauchschwaden und unerträglichem Gestank bemerkt zu haben, wenn sie den Senior besuchten. Der habe eifrig gelüftet. Und wenn doch, dann seien es andere gewesen, die im Hauseingang geraucht hätten, jedenfalls nicht der Witwer.

Adolfs selbst hatte Profitstreben hinter dem Vorgehen der Vermieterin vermutet: Die wolle vermutlich bloß seine Wohnung auch noch in lukrativen Büroraum umwandeln. Seine unmittelbaren Nachbarn hätten sich jedenfalls überhaupt nicht beschwert.

»Die Sache ist rechtlich relativ eindeutig«, sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. »Mieter müssen ausreichend lüften. Das gilt nicht nur für Zigarettenrauch, auch etwa für extremen Knoblauchgeruch.« Wer sich daran halte, der dürfe rauchen. »Die eigenen vier Wände sind schließlich der letzte Rückzugsort für Raucher.«

Sogar aus Sicht des Eigentümerverbandes Haus & Grund ist das Urteil »juristisch nachvollziehbar«: »Wenn die Belästigung nicht beweisbar ist, muss man das so hinnehmen«, sagt Sprecher Alexander Wiech. Das Urteil sei dennoch kein Freibrief: »Mieter müssen sich sozialverträglich verhalten.«

Zuvor hatte Adolfs vor dem Amts- und dem Landgericht Niederlagen erlitten. Beide Instanzen hatten die Kündigung nach über 40 Jahren Mietdauer bestätigt. Adolfs habe seine Nachbarn mit Zigarettenqualm unzumutbar belästigt und so ihre Gesundheit gefährdet, hieß es damals. Nach dem Tod seiner Frau soll er die Parterrewohnung kaum gelüftet haben. Der Qualm sei in den Hausflur gezogen, so der Hausverwalter. Der Streit war zum bundesweit diskutierten Politikum geraten. Millionen Raucher sahen sich in der Defensive gegen einen immer schärferen Nichtraucherschutz. Sie befürchteten, das Verfahren könnte die rote Linie zwischen Rauchern und Nichtrauchern, die unter einem Dach leben, zu ihren Ungunsten verschieben. Adolfs selbst war bei Raucherdemos aufgetreten, Raucher hatten wiederum eine Spendenaktion für die Prozesskosten des Hausmeisters im Ruhestand gestartet.

Ob er jetzt, wo er darf, dort weiter wohnen bleibe, wisse er gar nicht so genau, sagt Adolfs. Als er gefragt wird, ob er nun nicht doch weniger rauchen wolle, blitzen seine Augen wieder angriffslustig: »Um Gottes Willen - auf keinen Fall.« dpa/nd

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