Großes Klagen wegen Überstunden

Zuschläge kommen derzeit nicht bei allen US-Arbeitern an / Obama will nun die Bemessungsgrenzen anheben

  • Carsten Hübner, Nashville
  • Lesedauer: 3 Min.

Gleich zwei Klagen in selber Sache sind seit vergangener Woche beim Bundesgericht im texanischen Städtchen Sherman anhängig. Erst legten die Vertreter von 21 republikanisch regierten Bundesstaaten Widerspruch gegen eine Verordnung des Arbeitsministeriums in Washington ein. Nur wenige Stunden später folgte die US-Handelskammer mit einer Reihe wirtschaftsnaher Lobbyorganisationen im Schlepptau. Das gemeinsame Ziel von Politikern und Lobbyisten: Das für den 1. Dezember dieses Jahres geplante Inkrafttreten einer höheren Bemessungsgrenze für Überstundenzuschläge soll im letzten Moment verhindert werden.

Im US-Arbeitsgesetz sind 40 Stunden als wöchentliche Standardarbeitszeit festgeschrieben. Zwar darf darüber hinaus beliebig viel gearbeitet werden, zu jeder Uhrzeit und an jedem Tag der Woche, doch dann, so steht es im »Fair Labor Standard Act« (FLSA) geschrieben, werden Überstundenzuschläge in Höhe von 50 Prozent fällig. Das gilt für Arbeiter ebenso wie für Angestellte. Ausgenommen von der Regelung sind lediglich leitende Angestellte, Manager und einige wenige Berufsgruppen.

Bei Arbeitern, die auf Stundenlohnbasis beschäftigt sind, ist die Feststellung der geleisteten Wochenarbeitszeit naturgemäß einfach. Sind 40 Stunden erreicht, muss auf jede weitere Arbeitsstunde der gesetzliche Zuschlag bezahlt werden, unabhängig davon, wie hoch das Wochen- oder Jahresgehalt des betreffenden Arbeiters ist. Die Einrichtung von Arbeitszeitkonten oder das Gewähren von Freizeitausgleich ist, anders als in Deutschland, in den USA verboten.

Bei Angestellten, die statt eines Stundenlohns ein vereinbartes Wochen- oder Jahresgehalt bekommen, kann es in der Praxis schon deutlich schwieriger sein, eine Überschreitung der 40-Stunden-Woche festzustellen. Doch selbst wenn dies gelingt, hatte bisher nur derjenige Anspruch auf den 50-prozentigen Zuschlag pro geleisteter Überstunde, der unter der Einkommensobergrenze von 455 US-Dollar in der Woche beziehungsweise 23 660 US-Dollar im Jahr blieb. Das waren laut Arbeitsminister Thomas Perez, der die Verordnung Mitte Mai vorstellte, im Jahr 1975 noch 62 Prozent der Angestellten, heute seien es jedoch gerade mal sieben Prozent. Ziel sei es vor diesem Hintergrund, zumindest wieder auf 35 Prozent zu kommen, erklärte Perez.

Mit der deutlichen Erhöhung der Bemessungsgrenze auf 913 US-Dollar wöchentlich beziehungsweise 47 476 US-Dollar im Jahr sollen dafür die Weichen gestellt werden. Bereits im ersten Jahr, so Berechnungen der Regierung, würden über vier Millionen Angestellte, die bis dato nicht in den Genuss von Überstundenzuschlägen kommen, von der Neuregelung profitieren. Ihr Einkommen soll um insgesamt 1,2 Milliarden Dollar im Jahr steigen.

Doch genau davor graut es den Klägern. Der Generalstaatsanwalt von Texas, Ken Paxton, warnte vor »desaströsen Folgen für unsere Ökonomie« und warf Präsident Barack Obama vor, zum wiederholten Mal einen Alleingang unternommen zu haben.

Darüber hinaus drohen Wirtschaftsvertreter, sie müssten nun einen Teil ihrer Angestellten in den Status von Arbeitern zurückstufen. Für viele Beschäftigte bedeute dies einen empfindlichen Karriereknick. Die Realität sieht jedoch anders aus. Nicht der Personalentwicklung wegen, sondern um etwaige Überstundenzuschläge zu sparen, waren viele Arbeiter zu Angestellten ernannt worden. Ihr Gehalt lag dabei nur ganz knapp über der Bemessungsgrenze, so dass keine Überstundenzuschläge mehr anfielen und sie letztendlich weniger verdienten als ein Arbeiter mit Zuschlägen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal