Revier für Hirsch und Jogger

Wildparks werben mit naturnaher Atmosphäre - allerdings nehmen auch dort die Tier-Shows zu

  • Harald Lachmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Mehr als 40 Wolfsrudel streifen wieder durch deutsche Wälder. Doch während dort kaum jemand die erwachsenen Isegrims oder deren Nachwuchs zu Gesicht bekommt, bieten sich andernorts ausreichend Chancen dazu. Denn bundesweit laden allein in Wildparks 15 Wolfsgehege zum Besuch - zumeist großzügige Schauanlagen, in denen die Tiere weitgehend artgerecht leben können. Knapp 120 solcher Wildparks gibt es heute in Deutschland, wobei es hierfür kaum einheitliche Regeln in Bezug auf Größe, Tierbestand oder Haltungsform gibt. Von Reh und Mufflon über Damwild, Rot- und Schwarzwild bis Wisent, Elch, Luchs und Braunbär reicht das Spektrum der Bewohnerschaft.

Doch gemessen an den insgesamt 897 zoologischen Einrichtungen aller Couleur, die Kommunen oder private Besitzer zwischen Küste und Alpen betreiben, zeichnen sich die Wildparks, Wildfreigehege oder Wildwälder durch eine Reihe von Vorzügen aus: Sie betten sich meist sehr naturnah in die jeweilige Landschaft ein, so dass sich die Tiere dort auch freilandtypisch verhalten können. Und man darf die Anlagen oft sogar durchwandern, so etwa den Wildpark im westfälischen Dülmen, der um 1860 als herzogliches Refugium entstand und zu den ältesten seiner Art zählt.

Dort leben mehrere Damwildrudel, die sich zwar bei allzu forscher menschlicher Annäherung ins Unterholz oder in die Tiefen der großen Wiesen zurückziehen. Doch es entsteht eine Ursprünglichkeit, wie sie kein städtischer Zoo bieten kann. Selbst die allherbstlichen Brunstrangeleien lassen sich im Wildpark recht nah verfolgen.

In bestimmten Zonen einzelner Wildparks darf man die Tiere sogar füttern, seltener auch streicheln, und in manchen Parks auch seinen Hund mitnehmen, sofern der an der Leine läuft. Für Karl Görnhardt, Chef des Tierparks Sababurg im verwunschen wirkenden gleichnamigen nordhessischen Wald, sind Wildparks und Wildgehege »moderne, fachlich geführte Kompetenzzentren für den Tier-, Arten- und Naturschutz«. Einen wichtigen Anspruch dieser Refugien sieht er in authentischer Wissensvermittlung.

Laut Görnhardt, der im Ehrenamt auch die Geschäfte des Deutschen Wildgehege-Verbandes managt, umfasst die Gesamtheit der deutschen Wildparks rund 25 000 Hektar Fläche. Ob indes auch die von ihm geschätzte Zahl von jährlich 13 Millionen Besuchern realistisch ist, lässt sich allerdings kaum ermitteln. Zum einen dienen ortsnahe Wildparks auch als beliebte Joggingstrecken oder Spielreviere für Mütter mit Kleinkindern, so dass sie mancher Anrainer fast täglich quert. Zum anderen erheben die meisten Wildparks keinen Eintritt. Nicht einmal Parkplatzgebühren sind die Regel. Wie auch im 250 Hektar großen Wald-, Teich- und Wiesenareal bei Dülmen zu erleben, kommen die meisten noch ohne allen zivilisatorischen Schnickschnack aus: Man findet weder Pommesbude noch Talmikiosk.

In der Regel tragen somit die angrenzenden Kommunen die Kosten. Unterstützt werden sie durch rührige Fördervereine, die Beiträge zahlen, Spenden einwerben, Tierpatenschaften organisieren und sich treffen, wenn unentgeltlich ein Zaum erneuert oder ein Teich entschlämmt werden muss. Mancherorts bringen auch eine begrenzte forstliche Nutzung des Waldbestandes sowie Förderprojekte einige Einnahmen. So wie im mecklenburgischen Natur- und Umweltpark Güstrow: Hier engagieren sich Umweltstiftungen, die öffentliche Hand und nicht zuletzt die Tourismusbranche.

Doch eben damit verringert sich auch der Abstand zwischen kosten- und selbstloser Bildung auf der einen Seite und umsatzorientierter Unterhaltung auf der anderen Seite. Mit Tiershows, Greifvogelaktionen oder sonstigen Events, bei denen die Natur nur noch die Staffage zu liefern hat, nähern sich einzelne Wildparks inzwischen auch schon den Konzepten klassischer Zoos an. Tierschützer rügen dabei vor allem, dass das Wild dann ebenfalls per Anbindehaltung präsentiert oder durch vorheriges Hungern für die Showauftritte regelrecht »konditioniert« wird.

Aber noch eine weitere Gefahr lauert in den wenig kontrollierten Wildparks, zumal deren Bewohner mit der Zeit auch eine gewisse Scheu vorm Menschen verlieren. Denn sie werden damit eine leichte Beute. So streckten boshaft-kranke Zeitgenossen in den letzten Jahren gleich mehrere Hirsche im niedersächsischen Bad Gandersheim, im bayerischen Landsberg sowie in Bad Marienberg im Westerwald nieder. Und das auf teils brutale Weisen, nämlich per Armbrust oder Pfeil und Bogen. Solche Täter seien dabei einzig darauf aus, »die Tiere zu töten«, beklagen die zuständigen Behörden.

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